Sehnsucht FC Bayern
sei nun ein völlig neuer Wurf gelungen. Wenn ich mir die Milchgesichter so mancher Kommentatoren anschaue, befürchte ich Letzteres und wette keine fünf Euro, dass nach sechs Spielabsagen im Winter auch bald wieder das DFB-Hallenmasters so richtig en vogue wird.
Jedenfalls, im Sommer 2010 hieß es also wieder mal »Supercup«. Augsburg erhielt den Zuschlag, und ich freute mich mit der Partie gegen Schalke 04 über eine kurze Anreise zu einem neuem Stadion mit dem FC Bayern.
Verein und Fans bewegten sich seit dem legendären Wutausbruch von Uli Hoeneß auf der Jahreshauptversammlung 2007 aufeinander zu. Ausgerechnet Karl-Heinz Rummenigge, von dem man es nicht unbedingt erwartet hätte, ist innerhalb des Vorstands die treibende Kraft bei der Gründung des längst überfälligen Vereinsmuseums, in dessen Projektteam ich berufen wurde. Eine Aufgabe, der ich mich allein schon deshalb gerne gestellt habe, weil ich mein jahrelang angelesenes Wissen um die Geschichte des Fußballs und des Vereins sinnvoll mal auf andere Art und Weise reproduzieren konnte. So ein Fußballmuseum zu konzipieren ist eine spannende Sache. Denn anders als bei einem herkömmlichen Museum, bei dem es meist »nur« um das Präsentieren der Exponate geht und vielleicht noch geschichtliche Bezüge hergestellt werden, geht es beim FCB-Museum darüber hinaus auch darum, eigene Erinnerungen wachzurufen und ganz persönliche Emotionen auszulösen. Insofern halte ich den anfangs skeptisch beurteilten Begriff von der FCB-»Erlebniswelt« inzwischen für gerechtfertigt. Ich hoffe, uns gelingt tatsächlich der ganz große Wurf. Die guten Kontakte, die ich durch meine Interviews mit der alten Spielergeneration hatte, waren dabei natürlich hilfreich. Aber abgesehen davon bekam die Tätigkeit auch deshalb eine besondere Note, weil man sich an einem tatsächlich recht geheimen Ort in der Arena traf und dort auch das Fotografieren verboten war.
Parallel tagte unter Mitwirkung von Fans eine Satzungskommission, die die Ausgabe weiterer Anteile der FC Bayern AG streng reglementiert und somit eine mehrheitliche Übernahme durch Externe verhindert. Für traditionsbewusste Fans, in deren Vereinen es ja noch ach so volksnah zugeht und die gerne mit dem Finger auf den Branchenprimus zeigen, muss das ein ziemlich schwer verdaulicher Happen sein.
Auch Hoeneß wandelte sich. Als auf der Jahreshauptversammlung 2010 ein Mitglied forderte, Lucio zu reaktivieren, konterten einige Fans seine langatmigen Ausführungen mit Rufen nach Bruno Labbadia. Und Uli Hoeneß? Rief fröhlich: »Also das macht mir hier Spaß mit euch!«
Überraschend konsequent werden seine Präsidiums-Sprechstunden umgesetzt, die er bis zu viermal in der Saison abhält. Jeweils drei Stunden vor Anpfiff zu einem Heimspiel trifft er sich, zusammen mit seinen Stellvertretern Bernd Rauch und Dr. Fritz Scherer, mit ca. 20 Fans, die vorab ihre Themenwünsche, Kritik oder Anregungen einreichen. Ich begleite diese spannenden Gesprächsrunden für das Bayern-Magazin, und obwohl so ein Nachmittag auch für mich Fleißarbeit bedeutet, muss ich jedes mal aufs Neue schmunzeln, wie viele Aufgaben Hoeneß im Laufe des Gesprächs zur Prüfung oder direkten Umsetzung unmittelbar an die anwesenden Mitarbeiter verteilt. Aber, und das ehrt ihn: Er räumt auch unumwunden ein, wenn er von manchen Problemfeldern einfach nichts gewusst hat. Das ist häufiger der Fall, als man zunächst glaubt. Allerdings bewegen sich die Anregungen oft sehr weit weg zum Zuständigkeitsbereich eines Präsidenten und ehemaligen Managers. Aber er kümmert sich, ganz so wie er es 1979 gelernt hat, um jedes Detail. Und zu optimieren gibt es schließlich immer irgendetwas.
Zwischenzeitlich erlebte ich meine ganz persönliche Zäsur. Aus den bekannten Gründen bin ich bis heute irrational-bekennender Olympiastadion-Nostalgiker. Insgesamt 133-mal sah ich dort zwischen 1982 und 2005 Spiele des FC Bayern. Mit dem Bundesliga-Heimspiel gegen Hannover 96 im Oktober löste die Allianz-Arena nach über fünf Jahren die ehrwürdige Spielstätte auf dem Oberwiesenfeld als jenes Stadion ab, in der ich die Mannschaft habe am meisten spielen sehen. Solche Momente machen mich immer nachdenklich. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie lange so etwas bei Fans noch dauert, die viel länger eine Jahreskarte für das Olympiastadion hatten als ich. Noch heute suche ich etwa alle halbe Jahre den Olympiapark auf und pflege, wenn ich allein meinen Gedanken nachhängen
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