Sehnsucht FC Bayern
finden. Da fängt man mit fast Mitte vierzig bei reichlich Rotwein auch schon mal an, über das eigene Sein und dessen Endlichkeit nachzudenken. Man begleitet seinen Verein über Jahrzehnte mit Anteilnahme und ausgiebigen Reisen und fragt sich dann schon mal, wo und wie so etwas für einen endet. Als wir darüber in einer römischen Hinterhof-Trattoria nachsannen, habe ich für mich eine Antwort gefunden: Wenn ich sterbe, dann mag ich ohnehin nicht verbrannt werden, sondern möchte an einem Ort begraben sein, bei dem einigermaßen sichergestellt ist, dass etwa einmal in der Woche jemand vorbeikommt und mir erzählt, wie wir in den letzten Tagen gespielt haben. Ich hätte dann ungestört die Möglichkeit, über die aktuelle Situation nachzudenken. Zeit genug hätte ich ja. Ich glaube, das ist eine Vorstellung, die mich sehr beruhigt.
Aber bis dahin ist hoffentlich noch etwas Zeit. Seinem Verein bleibt man in der Regel ohnehin ein Leben lang treu. Egal aus welchem Grund man einstmals zu ihm fand. Gäbe es überhaupt einen Grund, sich von ihm abzuwenden? Noch so eine ungelöste Frage.
Dieses E-Book wurde von der "Verlagsgruppe Weltbild GmbH" generiert. ©2012
N ACHSPIELZEIT
Alles, was in diesem Buch niedergeschrieben wurde, ist wahr und hat sich auch so abgespielt. Mein Leben als Fan verlief zu bunt, als dass ich es nötig hätte, Erfundenes hinzuzufügen. Das Gegenteil war der Fall. Ich musste die Schilderung so mancher Begebenheit stark kürzen oder ganz auf sie verzichten. Das lag zum einen am begrenzten Umfang des Buches, geschah aber viel mehr noch aus Rücksicht gegenüber Weggefährten, ehemaligen und aktuellen Kollegen sowie der eigenen Familie.
Manche Dinge gehören hier auch einfach nicht hinein. Meine Tätigkeit für den FC Bayern München bringt es mit sich, dass ich aus der Nähe und beim Blick hinter die Kulissen so manches mitbekam, auf dessen Veröffentlichung ich hier ganz bewusst verzichtet habe. Einerseits gebietet das der Anstand, andererseits wurde ich schlichtweg auch darum gebeten. Es sollte ja auch kein Enthüllungsbuch werden, sondern »nur« den langen wie ungewöhnlichen Werdegang eines Fans skizzieren, den er – so weit wage ich es zu beurteilen – mit dem wahrscheinlich besten Fußballverein der Welt bisher zurückgelegt hat. Ich hoffe, das ist mir gelungen.
Natürlich kann man sich völlig zu Recht fragen, was ich persönlich davon habe, dass der Verein zum x-ten Mal im Briefpapier die Auflistung der Titel aktualisiert und sich Jungmillionäre mit satten Prämien die Taschen noch voller stopfen. Ich habe die Frage für mich dahingehend beantwortet, dass jeder Titel die erfolgreiche Phase des FC Bayern verlängert und mich gegenüber negativen Tendenzen des Fußballs im Allgemeinen oder Phasen sportlichen Misserfolgs beim FC Bayern im Besonderen resistent macht – im Bewusstsein, die schöne Zeit als Fan noch miterlebt zu haben. Schließlich können wir nicht wie selbstverständlich davon ausgehen, dass der Verein auch in 25 Jahren noch diese dominierende Rolle spielt.
Aber ich habe auch unmittelbar etwas von Erfolgen des FC Bayern. Eine Qualifikation für den Europapokal bedeutet in den kommenden zehn Monaten die große Chance auf weitere internationale Reisen. Man mag einwenden, dass es albern ist, das Ansteuern eines solchen Reiseziels vom Zufall bei der UEFA-Auslosung abhängig zu machen. Aber hätte ich all diese Reisen durchgeführt, wenn ich sie lange vorher hätte planen und mit beruflichen oder familiären Erfordernissen optimal hätte abstimmen müssen? Wohl kaum. Wer erinnert sich nicht an Ausflugsziele in der Umgebung, die er immer schon mal besuchen wollte, es aber bis heute nicht geschafft hat? Genau darum geht es. Als reisender Fußballfan muss man die sich bietenden Gelegenheiten nutzen – oder sie ergeben sich vielleicht erst in vielen Jahren wieder. Auf eine Fahrt im Europacup nach Griechenland warte ich übrigens noch heute.
Ich verschließe keineswegs die Augen vor so mancher Entwicklung im Profifußball. Und wenn ich ehrlich bin, wird mir bei einigen Aspekten als Fan sogar richtig bange. Wer braucht einen zerstückelten Bundesliga-Spieltag, wenn ohnehin alle Spiele parallel live gesehen werden können? Wie viele Pay-TV-Abonnenten schauen sich drei Spiele am Wochenende an? Geht es ums Kneipen-TV? Wohl kaum, denn das mindert die Abonnentenzahl. Geht es um drei Sportschau-Sendungen von Freitag bis Sonntag? So sind die Fernsehrechte aber nicht verteilt. Mich
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