Sehnsucht FC Bayern
einige Tankstellen an, ob sie noch offen hätten. Mit so viel Fürsorge hatte ich nicht gerechnet. Aber das Ergebnis blieb dasselbe: keine erreichbare Tankestelle im gesamten Landkreis Neustadt/Aisch.
Mein getrübtes Bild von der bayerischen Polizei, das im Wesentlichen durch ihr martialisches Auftreten bei diversen Fußballspielen geprägt war, bekam plötzlich eine völlig neue Perspektive, als sich einer der Beamten privat als Fahrer eines Diesel-Fahrzeuges und sicherheitsbewusster Besitzer eines gefüllten Reservekanisters outete. Unter anerkennenden Blicken seiner Kollegen schritt er zur Tat und kippte den Inhalt seines privaten Kanisters in mein Auto. Meine Bewunderung war ihm ohnehin sicher. Nie zuvor habe ich großzügiger eine Tankrechnung bezahlt als in dieser Nacht.
Deutlich eleganter verlief die Rückrunde der laufenden Saison. Die Mannschaft schaffte die Wende und arbeitete sich mit einer wahren Energieleistung durch alle Wettbewerbe. Auch dank spektakulärer Tore von Arjen Robben auf Schalke, in Florenz und Manchester blieb tatsächlich die Hoffnung aufs Triple bestehen. Der holländische Wirbelwind besorgte sogar jenes 7:0, das ich nicht mehr für möglich hielt, nachdem es einst Oliver Kahn durch seinen lässig geschossenen Elfmeter in der Schlussminute gegen Cottbus 2002 auf dem Gewissen hatte. Beim Heimspiel gegen Hannover 96 machte es Robben – ebenfalls in der Schlussminute – besser und traf zum Endstand von 7:0. Keiner freute sich darüber in Block 216 sichtbarer als ich. Ich hüpfte vor Begeisterung auf meinem Platz, riss die Arme hoch und feierte den Treffer völlig unangemessen. Meine Verlobte sah sich genötigt, die irritierten Sitznachbarn darüber aufzuklären, was dieses eigentlich belanglose Tor für mich persönlich bedeutete. Ich bin mir nicht sicher, ob es ihr tatsächlich gelang.
In diesen Wochen klappte offenbar alles. Ergebnisfußball paarte sich mit schönem Spiel. Ich hatte ja schon selber gegrübelt, ob nicht eine attraktive, aber weniger erfolgreiche Spielweise für den Fan für eine gewisse Zeit unterhaltsamer ist als rein ergebnisorientierte Taktik. In der ersten Jahreshälfte 2010 zeigte sich, dass es zwar selten, aber dennoch möglich ist, beides zu erreichen. Des Öfteren bemühten Kommentatoren angesichts auch später Tore die weidlich abgenutzte Phrase vom »Bayern-Dusel«. Ich hatte mich über den Ausdruck zwar immer schon geärgert, ihn aber in all den Jahren mittlerweile schon so oft gehört, dass ich bereits selber fast dran glaubte. Ausgerechnet ein kluger Anhänger von 1860 München – ja diese Kombination gibt es wirklich –, mit dem ich seit Jahren befreundet bin, widersprach der Mär vom Dusel des Ortsrivalen: »Es gibt keine glücklichen Tore. Es mag Tore gebe, die zu einem Zeitpunkt fallen, der deshalb günstig ist, weil er das taktische Konzept gleich am Anfang über den Haufen wirft. Dazu gehören die Anfangsminuten beider Halbzeiten. Übrigens nicht die Schlussminute der ersten Halbzeit, weil dann ja ein Trainer die sofortige Möglichkeit zur Korrektur hat. Taktisch günstig sind auch die Schlussminuten, weil nur noch wenig Zeit zum Ausgleich bleibt. Aber glücklich, nein glücklich sind solche Tore nicht. Beide Mannschaften wissen um die Länge eines Fußballspiels. Und eine spielstarke Mannschaft wird immer bis zum Schlusspfiff den Torerfolg suchen.«
Schöner hätte ich es nicht formulieren können. Natürlich gibt es in der Vereinsgeschichte der Bayern einige Titelgewinne, die unverhofft zustande kamen. Spontan fallen mir die Meisterschaften 1986, 2000 und 2001 ein. Aber wenn das Belege für einen »Bayern-Dusel« sein sollen – wie erklärt man dann neun Vizemeisterschaften und vier verlorene Europacup-Endspiele?
Für den halbwegs objektiven Zuschauer nahm die Saison zum Ende hin den verdienten Verlauf. Beim letzten Heimspiel gegen den VfL Bochum kam auch die Allianz-Arena endlich mal in den Genuss einer Meisterschaftsentscheidung vor Ort. Zumindest fast. Denn nach unserem 3:1-Sieg über den VfL hätte Schalke 04, das zur gleichen Zeit 0:2 gegen Werder Bremen verlor, am letzten Spieltag nicht nur drei Punkte, sondern auch 17 Tore aufholen müssen – ein Ding der Unmöglichkeit. Erstmals erlebte dieses Stadion damit eine Defacto-Titelentscheidung. Und das nach fünf Jahren!
Ich hatte an diesem Nachmittag meinen Platz auf der Pressetribüne und saß neben einem Mitarbeiter des Bayerischen Rundfunks, der mit seiner permanenten Leitung ins
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