Sehnsucht FC Bayern
Übergangslösung, der 66-jährige Jupp Heynckes, als Hoffnungstrainer auserkoren – zumindest bis 2013. Wenn man es humoristisch betrachtet, ein klares Zeichen gegen den herrschenden Jugendwahn in unserer Gesellschaft. Mit nunmehr 43 Jahren gehen mir solche Sätze inzwischen leicht über die Lippen. Wenn man diese Strategie konsequent weiterdenkt, dann fällt mir Walter Fembeck ein, der von 1957 bis 1983 Geschäftsführer des FCB war. Wenn ich sehe, wie geistig fit der heute 90-Jährige immer noch ist, dann ist die Nachfolgeregelung von Finanzvorstand Karl Hopfner längst ausgemachte Sache.
Das Interview mit Walter Fembeck, der ganz erheblich zur Entwicklung des Vereins beigetragen hatte, erwies sich ebenso als Glücksgriff wie das mit Willi O. Hoffmann. Aus einem ursprünglich ganz gewöhnlichen Gespräch wurde eine mehrteilige Serie über drei Ausgaben hinweg, die mich mehrfach in seine Münchner Villa führte. Der launige Ex-Präsident ist heute noch Mitglied des Verwaltungsbeirates und lud mich in dieser Funktion zum Mannschaftsbankett im Anschluss an das Auswärtsspiel in der Champions League ein. Dort sorgte er für einen ungewollten Fauxpas, denn zu mitternächtlicher Stunde wurde er dienstlich: »Herr Radtke, ich habe Ihre Texte dabei. Ich schlage vor, wir gehen gleich mal auf mein Hotelzimmer und besprechen die Änderungswünsche.« Noch bevor ich antworten konnte, schaute er in mein verdutztes Gesicht, fing an zu lachen, haute mir die Hand krachend auf die Schulter und rief eine Spur zu laut: »Um Gottes willen. Bloß nicht! Nachher denkt man noch, wir beide wären schwul!!!« Solche Situationskomik konnte eigentlich nur noch von einem überboten werden: Günter Netzer. Ich räume ein, dass ich nach langer Zeit vor einem Interview noch mal nervös wurde. So wie ich den ehemaligen ARD-Experten im Fernsehen erlebt hatte, stellte ich mich auf einen übellaunigen Gesprächspartner ein. Das Gegenteil war der Fall. Netzer machte dort weiter, wo er zuvor mit Gerhard Delling aufgehört hatte, ohne dass ich ihn mit entsprechenden Stichworten provoziert hätte. Der Mann ist in seiner Art absolut authentisch: »Hören Sie mir mit Franz Beckenbauer auf. Der Mann ist doch grenzenlos faul.« Wenn ein Interview so beginnt, dann kann es nur gut werden. Und das wurde es dann auch.
In jenen Wochen hörte ich einen anderen Satz, der für mich ab sofort zum Credo meiner Reisetätigkeit wurde. Als späte Ehrung für den Double-Gewinn 2010 ließ der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer ein schönes Ritual seiner Vorgänger wieder aufleben und lud Mannschaft, Verantwortliche und einige Hundert Fans zu einem Empfang in die Staatskanzlei. Im Gegensatz zu einigen vergleichbaren Empfängen davor stand diesmal keine Landtagswahl bevor. Ich war für das Bayern-Magazin und fcb.de vor Ort und traf wie immer auch einige bekannten Nasen aus der älteren Generation der reisefreudigen Fanszene, die sich den Termin nicht entgehen lassen wollten. Beim x-ten Bier fiel dann bei lauem Herbstwetter der wunderschöne Satz: »Europacup auswärts muss weh tun!« Und damit war keinesfalls körperliche Gewalt, sondern die bewusste Inkaufnahme von Reisestrapazen gemeint. Ein Satz, wie in Stein gemeißelt.
Die Reise nach Rom war aber auch in anderer Hinsicht bemerkenswert. Nach einiger Zeit fand eine gemeinsame Tour nämlich wieder einmal in voller Besetzung statt. Rom fand Anklang bei allen Mitstreitern der vergangenen Jahre, egal ob sie mittlerweile Vater geworden waren oder Karriere gemacht hatten. In die Ewige Stadt wollte jeder: Torsten aus Pinneberg, Jürgen aus Berlin, Carsten aus Schwelm, Sven P. aus Kiel und Sven W. aus München. Es war eine Europacup-Reise ganz nach meinem Geschmack: ein neues Stadion, ein zentrales Hotel und dazu viel Kultur, gepaart mit reichlich Alkohol. Hopper-Herz, was willst du mehr?
Ein bisschen Wehmut lag jedoch über dieser Zusammenkunft am Tiber. Allen war bewusst, dass so etwas zukünftig immer seltener möglich sein würde. Vor Jahren hatten wir uns gemeinsam gefunden. Die Erfordernisse des Berufs und die familiären Kompromisse haben uns über die Republik verteilt und werden uns in Zukunft noch stärker beanspruchen. Wahrscheinlich werden wir uns mit unseren Reisetätigkeiten einschränken und bei Spielbesuchen Prioritäten setzen müssen. Lieber ein Europacup-Highlight im Ausland als fünf Ligaspiele in Deutschland.
Und dennoch: Bei allen Verpflichtungen werden sich immer wieder Gelegenheiten
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