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Sehnsucht FC Bayern

Sehnsucht FC Bayern

Titel: Sehnsucht FC Bayern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armin Radtke
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Ordnung. Schließlich wurde der Kapitän von Bayern-Geschäftsführer Fembeck auf das Spielfeld zurückbeordert. Über sechs Minuten waren mittlerweile vergangen. Bis auf Mailand 2001 habe ich später nie wieder flehentlicher darum gebeten, dass ein Elfer gehalten wird. Und was war mit Manfred Kaltz? Er hatte sich von dem ganzen Tumult anstecken lassen, schoss und – Pfaff parierte seinen schwachen Schuss. Es setzte ein Jubel ein, der den eines Torerfolges übertraf. Hoeneß und Hoffmann, die den Elfer hinter dem Tor verfolgt hatten, fielen sich in die Arme und tanzten. Ich konnte es nicht glauben. Dies alles bei meinem ersten Besuch im Olympiastadion. Was für eine Ouvertüre zu Beginn meiner noch kommenden Heimspielbesuche!
    Die Samstagnachmittage verbrachte ich inzwischen nur noch vor dem Radio. Wenn ich von der Schule kam, kaufte ich mir zur Feier des Tages das, was es sonst bei uns im Haushalt für gewöhnlich nicht gab: Cola und Chips. Entsprechend ausgestattet entwickelte sich der Nachmittag mit der Sendung »Tore-Punkte- Meisterschaft« von Kurt Brumme auf WDR 1 zum Ritual. Während ich beim Radiohören versonnen im kicker -Sonderheft blätterte, versuchte ich, den hastigen Reportagen von Eddi Körper und Dietmar Schott aus den Stadien zu folgen. Regelmäßig verfiel ich bei Zwischenrufen während der Konferenzschaltung in Panik. »Toooor in München!« Scheiße, der Ausgleich? Oder vielleicht doch das 2:0? Manchmal sorgte wenigstens die Geräuschkulisse im Hintergrund für rasche Aufklärung. Aber wehe, wenn nicht! In solchen Fällen war es mir lieber, wenn bei einer knappen Bayern-Führung besser kein weiteres Tor mehr gemeldet wurde.
    Meine schulischen Leistungen rutschten in der 9. Klassse immer weiter in den Keller. Oder aber beschönigend formuliert: Sie hielten mit meiner wachsenden Begeisterung für den FC Bayern nicht Schritt. Ich erwähne das, weil es in den kommenden Jahren leider einen Zusammenhang zwischen beiden Themen gab. Dabei hatte ich eigentlich kein intellektuelles Problem, sondern es regierte der Schlendrian und der mehrfach von meinen Eltern thematisierte »innere Schweinehund«. Was folgte, waren wiederholte und schier nicht enden wollende Standpauken meiner Eltern. Und wie das mit dauerhaften Problemen so ist: Mal versuchte man es mit einem Appell an die Vernunft, mal mit Strafandrohung. Sie waren wirklich kreativ. Manchmal konnte ich mich nur mühsam beherrschen, wenn es wieder einmal um den so genannten Schweinehund ging und ich mir vorstellte, wie dieses wenig possierlich klingende Tierchen wohl aussehen möge. Hinzu kommt bei diesen elterlichen Standpunkten ein oft unterschätzter Aspekt: Sie sind inhaltlich oft so furchtbar abstrakt. Was fängt man als 14- Jähriger mit Prognosen an wie: »Du wirst dir mal keine Eigentumswohnung leisten können«, oder: »Möchtest du deinen Kindern mal später nichts bieten«? Das lag alles noch weit weg. Sogar sehr weit weg. Die Appelle verhalten. Ohrmuschel-Durchzug sozusagen.
    Eines Tages aber, und weiß der Herrgott, woher mein Vater diese Eingebung bekam, versuchte er es nach einer erneut missratenen Klassenarbeit auf die emotionale Tour: »Wenn du so weitermachst wie bisher, dann wird es mal mit dir und dem FC Bayern im Leben finanziell sehr eng werden. Mehrfach in der Saison zu Heimspielen nach München? Vergiss es! Deine Freunde werden fahren, und du wirst zu Hause bleiben müssen. Du wirst es dir ebenso wenig leisten können wie ein Abonnement des kicker.« Das saß! Ich wurde nachdenklich. Das war ja mal wirklich was Konkretes. Und das jetzt, wo ich doch gerade Appetit auf mehr bekommen hatte.
    Meine schulischen Leistungen wurden nach dieser Standpauke zwar nicht wirklich besser. Aber viele Jahre später, als es um den Abschluss der Berufsausbildung ging und ich mich anschließend noch durch einige Semester Abendstudium zum Betriebswirt quälte, war das ein oft von mir ins Gedächtnis geholtes Schlüsselerlebnis. Damals hatte ich mir selbst gegenüber das Versprechen abgerungen, als erwachsener Bayern-Fan einen Job auszuüben, bei dessen Einkommen ich mir stets jedwede Reise und Hotelübernachtung zu einem Bayern-Spiel würde leisten können. Dieses Versprechen habe ich eingehalten, wobei ich seinerzeit wirklich noch nicht absehen konnte, welch kostspielige Auswüchse das einmal haben würde.
    Dieses E-Book wurde von der "Verlagsgruppe Weltbild GmbH" generiert. ©2012

1983/84
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    Die Saison konnte für mich eigentlich

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