Sehnsucht FC Bayern
nach dem Spiel nachts wieder zurück nach Köln. Das musste einfach sein, und trotz des Ausscheidens der Bayern bin ich noch heute froh darüber, diesen außergewöhnlichen Spieler wenigstens einmal live erlebt zu haben.
Meinen Wehrdienst absolvierte ich im Stabsdienst einer Höheren Kommandobehörde, und zwar beim Luftwaffenamt, in der Dienstvilla des Amtschefs. Diesem Drei-Sterne-General unterstand mit etwa 40.000 Soldaten etwa ein Drittel der deutschen Luftwaffe. Wie von meinen Eltern ursprünglich gewünscht, lernte ich in diesem hochdekorierten Umfeld zwar noch immer keine soldatischen Tugenden, bekam aber im Hinblick auf Perfektion und effiziente Organisation einiges für das Leben mit. Auch meine Einstellung zur Bundeswehr änderte sich. Die Generäle, die dort täglich ein und aus gingen, erwiesen sich nicht nur als äußerst niveauvolle und intellektuell überlegene Gesprächspartner, sondern ließen mir gegenüber oft jegliche hierarchische Distanz vermissen, obwohl zwischen uns die fast denkbar größte Spanne am Dienstgraden lag. Das war eine interessante Erfahrung. Je höher die Hierarchie-Ebenen, desto weniger wurde offenbar auf entsprechenden Standesdünkel Wert gelegt. Der Kölner an sich hat ja ohnehin schon wenig Respekt vor der Obrigkeit. Hier verlor ich allerdings auch noch die letzte Scheu, was sich in meinem späteren Berufsleben nicht immer nur als vorteilhaft erweisen sollte.
Eigentlich hatte ich mich bereits gedanklich auf weitere Praktika beim Versicherungskonzern eingestellt, als ich im März 1989 unerwartet die Gelegenheit bekam, dort an einem Auswahlverfahren für Auszubildende teilzunehmen. Es waren kurzfristig Ausbildungs plätze frei geworden, weil einige Azubis abgesprungen waren. Beim mehrstündigen, schriftlichen Einstellungstest galt es für mich dabei auch Fragen zur Allgemeinbildung und zum aktuellen Zeitgeschehen zu beantworten. Die Frage nach dem amtierenden Deutschen Fußballmeister beantworte ich mit »Bremen« zwar zutreffend, aber mit angemessener Verachtung.
In dieser Saison fand auch das »innige« Verhältnis zwischen Christoph Daum und Uli Hoeneß seinen Ursprung. Ein medial inszenierter Showdown, an dem insbesondere RTL seine wahre Freude hatte. Der Kölner Fernsehsender hatte sich als erster Privatsender die Rechte an der Bundesliga gesichert und zelebrierte die Berichterstattung der Spieltage samstags in seiner Sendung Anpfiff mit einer Länge von bis zu drei Stunden. Ein Format, das selbst mich recht bald ermüdete. Ein programmtechnischer Overkill. Ohne es zu ahnen, begründete RTL mit diesem Sendeformat jedoch einen bis heute anhaltenden gesellschaftlichen Trend im Fußball: Bundesliga als Event. Noch Mitte der achtziger Jahre wurde aus Sorge um das Zuschaueraufkommen in der Bundesliga die Live-Berichterstattung im Radio (!) auf 16 Uhr verlegt. Jetzt trat allmählich genau das Gegenteil ein: Je ausführlicher das Thema in den Medien breitgetreten wurde, desto mehr Interessierte zog der Fußball in die Stadien. Ein nur scheinbares Paradoxum. Denn über was das Fernsehen berichtet, das ist wichtig. Das will man selbst gesehen haben. Da will man dabei sein. Und wo wir uns schon in Köln befanden, drängt sich hierzu doch gleich der passende Song von Wolfgang Niedeckens BAP auf: »Wahnsinn, do jonn mer och hin.«
Zurück zu Daum und Hoeneß. Das Leben als Bayern-Fan in Köln war in dieser Zeit wenig beschaulich. Der rhetorische Schlagabtausch der beiden gipfelte in einem peinlichen Auftritt im Aktuellen Sportstudio wenige Tage vor dem entscheidenden Spiel des FC Bayern in Köln. Dass ich den Mannschaftsbus, wegen der Flughafennähe, am Tag vor dem Spiel an meiner Kaserne vorbeifahren sah, wertete ich als gutes Zeichen. Dennoch war der Druck, den selbst ich an diesem Abend spürte, enorm. Solche Spiele genieße ich nicht. Sie sind auch für mich eine enorme Anstrengung. Gerade so, als ob ich selbst mitgespielt hätte. Hätten wir verloren, wäre der 1. FC Köln mit großer Wahrscheinlichkeit Deutscher Meister geworden. Es kam anders. Roland Wohlfarth erlöste uns mit seinen drei Toren. Ich flippte völlig aus und war fix und fertig. Uli Hoeneß gestand zehn Jahre später in einem Fernsehinterview, nach dem Spiel geweint zu haben.
Diese Konstellation, dass das restliche Fußball-Deutschland stets gemeinsam dem FC Bayern den Misserfolg gönnt, trägt ganz wesentlich zum Selbstverständnis der Bayern-Fans bei. Wir gegen alle. Der Verein lässt niemanden kalt, er
Weitere Kostenlose Bücher