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Sehnsucht FC Bayern

Sehnsucht FC Bayern

Titel: Sehnsucht FC Bayern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armin Radtke
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diesen drei Monaten versetzt werden würde, war ebenfalls noch völlig offen. Ich stellte mir die bange und nicht ganz unberechtigte Frage, auf wie viele Bayern-Spiele ich in den nächsten 15 Monaten wohl würde verzichten müssen. Altersgenossen hatten ein Problem damit, überhaupt eine Waffe in die Hand zu nehmen. Ich hingegegen befürchtete, Auftritte der Bayern zu verpassen. Der Spielplan meinte es aber jedoch gnädig mit mir. Die Saison begann mit Ende Juli zwar recht früh, wies aber für mich im ersten Viertel der Saison nur ein einziges, relevantes Spiel auf: auswärts in Leverkusen an einem dienstfreien Wochenende. Das war nun wirklich okay und im Rahmen meiner Bundesbahn-Wochenend-Heimfahrten machbar.
    Natürlich hatte ich auf meiner Zwölf-Mann-Stube in Goslar auch einen klassischen, schmalen Holzspind. So ein Spind, respektive das obere Drittel der Tür-Innenseite, ist in einer Kasernenstube der einzige Platz zur persönlichen Entfaltung. Und natürlich klebten meine Stubenkameraden, sofern sie denn gebunden waren, Fotos ihrer Freundinnen dort hinein. Ich hatte jedoch keine Freundin mehr. Was sollte ich tun? Auf ein Foto verzichten? Das war unklug, denn ein Spind wird mehrfach in der Woche auf Ordnung und Sauberkeit hin kontrolliert. So ein Foto ist dabei recht dienlich, denn es lenkt die Blicke des prüfenden Unteroffiziers gerne mal ab. Es wäre mir jedoch nie in den Sinn gekommen, alternativ Fotos irgendwelcher Mädchen aus einem Versandhauskatalog dort hineinzuhängen. Dazu war mir der Platz auch wieder zu kostbar. Also entschied ich mich für eine großformatige Postkarte vom Olympiastadion. Damit hatte ich zwar ab sofort die blödesten Fußballdiskussionen mit meinen Ausbildern, aber ablenkungstechnisch war der Plan super. Außerdem kam es an besonders schlimmen Tagen immer mal wieder vor, dass ich mir sehnsuchtsvoll das Motiv anschaute und mit der Aussicht auf zukünftige Heimspiele darin tatsächlich Trost fand.
    An dieser Stelle möchte ich ohnehin mal eine Lanze für die Wehrpflichtigen der damaligen und früheren Generationen brechen. Das frühe Aufstehen war ja nur mein persönliches Problem. Was von allen, die es nicht selber erlebt haben, an Herausforderung in diesen 13 Wochen gänzlich unterschätzt wird, ist die völlige Aufgabe jedweder Privatsphäre in dieser Zeit. Selbst in den Kabinen der Gemeinschaftstoiletten war man aufgrund der spärlichen Sichtblende nicht allein. Der fast minutiös durchgeplante Tag in einer Zwölf-Mann-Stube fordert zusätzlich nervlichen Tribut. Wenn ich in dieser Zeit etwas tatsächlich gelernt hatte, dann war es Rücksichtnahme und Toleranz. Und nicht Befehl und Gehorsam.
    Die Toleranz meiner Stube stellte ich gegen Ende der Grundausbildung jedoch auf die Probe, als ich mir weit nach dem 22-Uhr-Zapfenstreich die Aufzeichnung des Dienstagsspiels meiner Bayern beim SV Werder in der ZDF-Sportreportage anschauen wollte. Zur Erinnerung sei an dieser Stelle allen Spätgeborenen unter den Lesern ins Gedächtnis gerufen: Handys, Laptop und Internet waren für die Bevölkerung noch nicht erfunden worden! So etwas gab es noch nicht. Das wird oft vergessen. Und so hockte ich um 23 Uhr mit einem ausgeliehenen, tragbaren Fernseher in der hintersten Ecke der ansonsten absolut dunklen Stube. Um mich herum elf (!) schnarchende Kameraden, und ich mit einer unhandlichen Fernsehantenne und einem Bildschirm so groß wie eine Diskette. Um nicht erwischt zu werden und keinen aufzuwecken, drehte ich den Ton fast ab. Der Lohn für diese absonderliche und vor allem disziplinarisch risikoreiche Aktion? Ich wurde Zeuge, wie Roland Wohlfarth und Jürgen Wegmann die 2:0-Führung der Bremer zum 2:2-Endstand egalisierten. Zufrieden legte ich mich ins Bett. Manchmal muss Mühsal belohnt werden.
    Bei der Bundeswehr blieb mir das Glück hold. Für meine weitere Verwendung wurde ich ab Oktober 1988 äußerst heimatnah an den Köln/Bonner Flughafen versetzt. Genau genommen versah ich meinen Dienst in Deutschlands größtem Luftwaffenstützpunkt, der Kaserne in Köln-Wahn. Da ich als Schreibtisch-Hengst vom Wachund Wochenenddienst nahezu verschont blieb, stand dem Besuch von Bayern-Spielen ab sofort wieder nichts mehr im Wege. Hiervon machte ich ausgiebig Gebrauch und ließ mir dabei natürlich auch nicht den denkwürdigen Auftritt von Diego Maradona beim UEFA-Cup-Halbfinalrückspiel im Olympiastadion nehmen. Ein Tag Urlaub musste reichen. Erstmals morgens 600 Kilometer nach München und direkt

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