Sehnsucht FC Bayern
und zeigten uns dies auch überdeutlich. Die schienen sich sogar richtig zu freuen. Verkehrte Welt. Wir wurden unsicher. Da musste was passiert sein. Aber bloß was? Ausländer-Beschränkung? Es war doch nur der Ghanaer Kuffour im Kader. Allgemeines Rätselraten an Bord.
»Mach doch mal das Radio an.« Gesagt, getan. Und dann die Aufklärung: Trapattoni hatte mit zwei Amateuren, nämlich Scheuer und Kuffour, begonnen, wechselte dann aber mit Marco Grimm recht früh in der ersten Halbzeit den dritten und mit Dietmar Hamann in der zweiten Halbzeit den vierten Amateurspieler ein. Das war einer zu viel. Und was machte die Eintracht? Anstatt sich in Grund und Boden zu schämen, von einem Gegner klar bezwungen worden zu sein, der aus Versehen vier Amateurspieler eingesetzt hat, witterten die Hessen Wettbewerbsverzerrung. So hätten sie wahrscheinlich auch argumentiert, wenn Trapattoni die halbe U15 des FC Bayern eingesetzt hätte. Gut, das war jetzt sehr polemisch und soll auch nicht über die Schlafmützigkeit der Verantwortlichen hinwegtäuschen. Aber diese Regelung bezweckt nun wirklich ganz andere Dinge, als eine Übervorteilung des Gegners zu verhindern.
Die Eintracht gebärdete sich, als ob der FC Bayern mit zwölf Mann auf dem Spielfeld gestanden hätte. Statuten sind dazu da, eingehalten zu werden. Aus einem wettbewerbsneutralen Verstoß mittels Protest jedoch einen persönlichen Vorteil zu ziehen, halte ich für gaunerhaft. Gerade die Eintracht, als Hauptdarsteller so mancher Lizenzierungsverfahren, sollte mit dem entsprechenden Fingerzeig auf andere zurückhaltender umgehen. Der Präsident der Eintracht entlarvte sich darüber hinaus höchstselbst, als er zwei Tage später durchblicken ließ, auf einen Einspruch gegen die Wertung des Spiels zu verzichten – sofern der FC Bayern beim bevorstehenden Wechsel von Markus Schupp von München nach Frankfurt ein gewisses Entgegenkommen zeigen würde. Sprach ich hier schon mal über das Missverhältnis von Amt und Würde …?
Die Dinge nahmen ihren erwarteten Verlauf. Das Spiel wurde mit 2:0 Toren und 2:0 Punkten für Frankfurt gewertet. Letzte Saison noch Besucher des annullierten Spiels mit Helmers Phantomtor und diesmal Zeuge eines tollen, aber aberkannten 5:2-Sieges. Normalerweise sollte man als Stadionbesucher mit dem Wissen nach Hause gehen, was einem der Sieg gebracht hat. Selbst darauf war mittlerweile kein Verlass mehr. Wir waren echte Glückskinder.
Das Rückspiel in Amsterdam mutierte zu einem äußerst seltsamen Ausflug. Bereits am frühen Nachmittag mussten wir uns am Duisburger Hauptbahnhof einfinden. Die vorbeikommenden Passanten staunten nicht schlecht ob der vielen Bayern-Fans, die sie natürlich überhaupt nicht zuordnen konnten. Der Sonderzug, der bereits seit den frühen Morgenstunden unterwegs war, befand sich, wenn man so will, in erstaunlich frischem Zustand. Für die ab Duisburg Zugestiegenen waren ohnehin die noch jungfräulichen Waggons vorgesehen. Dass sich mit Grenzüberschreitung verstärkt auch Polizei im Zug befand, damit war zu rechnen. Überraschend war vielmehr der Ankunftsbahnhof, den man in einen relativ abseits gelegenen Vorort von Amsterdam verlegt hatte und der natürlich komplett abgesperrt war. Das galt ebenso für den kleinen Bahnhofsvorplatz, bei dem vergitterte Mannschaftswagen einen undurchlässigen Halbkreis um den Ausgang bildeten. Sehr eindrucksvoll.
Es klingt ein wenig pervers, aber wenn ich so still und leise in der friedlichen Masse mitschwimme, dann übt so ein martialisches Umfeld geradezu einen gewissen Reiz auf mich aus. In Amsterdam amüsierte es mich sogar, weil das krasse Missverhältnis zwischen äußerst konzentriert dreinblickenden Einsatzkräften und völlig übermüdeten Fans allzu offensichtlich war. In einer langen Kolonne ging es dann mit den Mannschaftswagen und weiteren Begleitfahrzeugen mit Blaulicht zum Stadion. Jede Kreuzung, die wir überquerten, war zuvor von Polizei-Motorrädern abgesperrt worden. Wenn ich sage, wir kamen gut voran, dann ist das untertrieben. Das hatte was! Ich kam mir vor wie in einem zweitklassigen Actionfilm. Dieses Höchstmaß an öffentlicher Wahrnehmung war wie auf einer Bühne, auf der man selbst zum Bestandteil einer staatlich angeordneten Inszenierung wurde. So wie beispielsweise Alkohol sehr verschieden auf Menschen wirkt, so ist es auch mit der aggressiven Atmosphäre in einem komplett vergitterten Fahrzeug und mit bewaffnetem Begleitpersonal. Die einen sind
Weitere Kostenlose Bücher