Sehnsucht FC Bayern
anderen sonst auch getan hätte: Ich nickte und wünschte einen »Guten Morgen«. Dabei war ich natürlich nicht cool. Ich glotzte. Doch wie das so ist: Mit der Zeit und nach dem x-ten Mal war es nichts Besonderes mehr, neben Zé Roberto oder Roy Makaay zu parken oder Ottmar Hitzfeld im Flur zu begegnen. Schade eigentlich.
Zu meinen Jahreskarten-Nachbarn im Olympiastadion gehörte seit 2003 Ecki. Ecki war stellvertretender Chefredakteur einer Glamour-Zeitschrift für Frauen. In dieser Funktion traf er für Interviews regelmäßig Filmstars und brachte dieses Thema mal exakt auf den Punkt: »Klar ist das interessant, einen Prominenten zu treffen. Aber weißt du was?« (Es folgte eine Geste, als wenn man Staub vom Jackenärmel wischt.) »Nichts davon bleibt an dir hängen.« Das war pointiert und desillusionierend zugleich.
Das Bayern-Magazin hat eine Auflage von weit über 150.000 Exemplaren. Es bereitet mir bisweilen noch heute ein merkwürdiges Gefühl, wenn ich mir vorstelle, wie Zehntausende Bayern-Fans samstags beim Frühstück, auf dem Weg ins Stadion, abends in der Badewanne oder auf dem Klo meine Artikel lesen. Richtig, auch auf dem Klo. Da mache ich mir mittlerweile nichts mehr vor. Mehr als einmal entdeckte ich bei Freunden auf dem »Stillen Örtchen« das Bayern-Magazin. Anfangs fühlte ich mich in meiner bescheidenen Autorenehre gekränkt. Mittlerweile sehe ich das gelassener, zumal oft auch der Playboy, Focus oder Der Spiegel daneben liegen. Wahrlich nicht die allerschlechteste Gesellschaft für unser Stadionheft. Ich tröstete mich mit der wunderbaren Textzeile des kölnischen Alt-Rockers Jürgen Zeltinger: »Ich bin ein Assi mit Niveau – ich lese Lyrik auf dem Klo!«
Die Schreiberei für das Bayern-Magazin brachte mich bisweilen in eine merkwürdige Situation. Die Ausgaben, für die ich gerade schrieb, erschienen zu Heimspielen, die deutlich später stattfanden. Das führte manchmal dazu, dass ich aktuell nicht wusste, gegen wen wir als Nächsten zu Hause spielten. Ich war dem Spielplan stets um drei Wochen voraus. Ein Buch zu schreiben, so wie dieses hier, macht man normalerweise, wenn dafür Muße vorhanden ist. Man lässt sich Zeit und zählt nicht die Wörter. Ich merkte recht bald, dass dies bei der Erstellung einer Zeitschrift, die alle 14 Tage erscheint, anders ist. Da galten Kriterien wie eine exakt vorgegebene Textlänge und Schriftgröße oder absolute Termintreue. Insbesondere bei »englischen Wochen« wurde es manchmal doch recht knapp mit der Zeit.
Als logische Folge daraus musste ich mich mit dem Thema »Bayern München« auch dann beschäftigen, wenn ich eigentlich gar keine Lust dazu hatte. Wer hat schon fortwährend ein gleich hohes Interesse an der Ausübung seines Hobbys? Insbesondere nach Niederlagen fiel es mir anfangs merklich schwer, mich aufzuraffen. Dass ich nach knapp 100 Ausgaben bis heute jedoch immer noch pünktlich war, zeigt, dass es mir letztlich doch gelang. Das hängt aber auch damit zusammen, dass man Misserfolge der Mannschaft von der Tätigkeit für den Verein gedanklich möglichst ausklammert und innerlich den Fan vom Autor trennt. Das musste und konnte ich mir von den hauptamtlichen Kollegen der Geschäftsstelle abschauen. Es geht auch gar nicht anders. Das nächste Spiel ist ja meist schon drei oder vier Tage später.
Meine Arbeitskollegen bekamen jedoch zu spüren, dass ich zusehends die Lust an Fußballthemen verlor. Ich war mittlerweile so tief in der Materie drin, dass ich meist einfach kein Interesse mehr an Fußball-Smalltalk in der Mittagspause hatte. Hinzu kommt, dass Fußball ein Thema ist, bei dem jede und jeder mitreden kann. Unabhängig vom tatsächlichen Wissen. Während ich mir im Stile eines vergeistigten Fachidioten den Kopf darüber zerbrach, wann in der Bundesliga-Tabelle von Torquotient auf Tordifferenz umgestellt worden war, verspürte ich wenig Lust, über abstruse Transfergerüchte zu spekulieren.
Auch als Fan bewegte ich mich mittlerweile in anderen Sphären. Sven und ich planten für diese Winterpause den Besuch des Trainingslagers – in Dubai. Zu diesem Ausflug kam es tatsächlich. Sven hatte im Vorfeld nach dem günstigsten Flug nach Dubai gesucht und wirklich zufällig die gleiche Maschine wie die Mannschaft des FC Bayern gebucht. Für Sven, auch Autogrammjäger, war diese unverhoffte Situation natürlich die Gelegenheit schlechthin. Wir stiegen als Letzte ein, und Sven machte sich Richtung erster Klasse auf, um seine
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