Sehnsucht FC Bayern
Fest eingeteilte Stehplatzbereiche gab es nicht. Sitzplätze ebenso wenig. Und so machten sich die etwa 900 Zuschauer beim 15:0-Sieg einen Spaß daraus, sich überwiegend rund um den Strafraum der hoffnungslos unterlegenen Amateure anzusiedeln. Entsprechende Wanderungsbewegungen zum Seitenwechsel nach der Pause waren die Folge. Einfach nur kurios.
Die Saison endete mit dem Double 2003 nicht nur sportlich sehr erfolgreich, sondern für mich auch mit einem echten Knalleffekt. Sven, der erwähnte Hotel-«Experte« aus Tokio, machte seinen Fauxpas mehr als wett. Als Sammler von Stadionzeitschriften hätte er bei einem Besuch in der Redaktion des Bayern-Magazins zufällig mitbekommen, dass man dort nach personeller Verstärkung suchte. Dies erzählte er mir mal eben so nebenbei. Ganz ohne Hintergedanken. Einfach so. In mir begann es zu arbeiten. Das wäre doch mal was. Ich wohnte nun ein Jahr in München, hatte mich so weit auch eingelebt und kein ehrenamtliches Engagement mehr als Fanclub-Vorsitzender oder Kommunalpolitiker. Ich konnte mich eigentlich nicht blamieren und bewarb mich. Bereits drei Tage später lag eine Einladung zum Vorstellungsgespräch im Briefkasten. Mein Leben als Bayern-Fan nahm eine Wende.
Dieses E-Book wurde von der "Verlagsgruppe Weltbild GmbH" generiert. ©2012
2003/04
B EIM FC B AYERN
Ich war nervös. Mit so einer schnellen Reaktion des FC Bayern auf meine Bewerbung hatte ich nicht gerechnet. Im Grunde genommen war es ja keine richtige Bewerbung mit Lebenslauf und Anlagen, sondern eher ein flott formuliertes Schreiben. Entsprechend war auch das Gespräch mit Hans-Peter Renner, dem Chefredakteur des Bayern-Magazins und Stellvertreter von Markus Hörwick, recht locker. Man hatte sich aber vorab intern nach meinem alten Fanclub und der bisherigen Zusammenarbeit mit mir erkundigt. Das Urteil schien wohlwollend ausgefallen zu sein. Interessanterweise schien die größte Sorge des Vereins darin zu bestehen, dass es sich nur um ein kurzes Engagement von mir handeln würde. Das war paradox. Ich dachte, man lässt mich zunächst nur auf Probe schreiben. Stattdessen wurde ich fast schon ermahnt: »Nicht dass Sie das jetzt nur für eine Saison machen …« Hier drückte sich aus, was wahrscheinlich einen der Erfolgsfaktoren des Vereins darstellt – die Personalkontinuität. Und das selbst schon bei mir, als vielleicht unbedeutsamstem Mitarbeiter des Vereins.
Wir einigten uns schnell auf die Übernahme von drei festen Bereichen. Zum einen der Historienteil: eine Serie, in der in jeder Ausgabe chronologisch jede Hin- oder Rückrunde der Vereinsgeschichte aufgearbeitet wurde. Die Serie lief bereits seit dem Jubiläumsjahr 2000 und sollte nun fortgesetzt werden, bis die Gegenwart erreicht war. Zum anderen den Chronikteil, in dem die Geschehnisse im Verein vor 100 Jahren, 50 Jahren, 25 Jahren usw. reflektiert wurden. Immerhin konnte ich auf diese Weise mein bisher nutzlos angelesenes Wissen über die Vereinsgeschichte endlich einmal produktiv loswerden, zumal ich die entsprechenden Bücher seit Jahren sammelte. Zu guter Letzt die »Seite für die Fans«. Wie eine Art »unverlangt eingesandt« bekommt die Presseabteilung regelmäßig Post von Fans und Fanclubs, die über ihre Aktivitäten vor Ort berichten oder Veränderungen nach Vorstandswahlen mitteilen. Hierüber sollte zukünftig intensiver berichtet werden. Als langjähriger Fanclubvorsitzender hielt man mich für diese Rubrik geradezu für prädestiniert.
Ich verließ die Geschäftsstelle nach einer Stunde in einer Mischung aus Irritation, Ungläubigkeit – und gleich auch mit einem Karton unberücksichtigter Post für die Fanseite im Bayern-Magazin. Quasi die Grundlage für die erste Ausgabe der neuen Saison. Ich machte mich am nächsten Wochenende zu Hause gleich ans Werk und sortierte die Einsendungen weit verstreut auf dem Fußboden meines Arbeitszimmers. Obwohl ich »vom Fach« war, las ich dennoch fasziniert die nicht enden wollenden und teilweise auch fantasievollen Zuschriften an den Verein. Vom gemalten Kinderbild bis zum getexteten Gedicht. Nun wusste ich ja von mir selbst, wie der Lieblingsverein die eigene Gedankenwelt bestimmt. Insofern war mir die jugendliche Beschäftigung mit diesem Thema nicht fremd. Dennoch wurde mir noch einmal eindrücklich klar, was der FC Bayern für sehr viele Menschen jeder Altersklasse bedeutet, welchen Lebensinhalt er einnimmt, wie stark er das Tun und Handeln bestimmt, einen wöchentlichen Rhythmus
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