Sehnsucht FC Bayern
vorgibt und oft auch, so traurig es vielleicht auch ist, für das Leben gar sinnstiftend wirkt.
Ob das den Profis auch so bewusst ist? Ich habe da meine Zweifel. Ob sie sich wirklich ausmalen, was in Hunderten Fanbussen und an ungezählten Bayern-Stammtischen los ist, wenn ein Heimspiel verloren wurde? Andererseits ist es vielleicht besser, wenn man sie im Unklaren darüber lässt. Ähnlich wie bei einem Elfmeterschützen, der ja nur an den Nerven, nicht an seinen fußballerischen Fertigkeiten scheitert, könnte es sich im entscheidenden Moment auch leistungshemmend auswirken, zu viel nachzudenken. Insbesondere, wenn es dabei um die Folgen sportlichen Scheiterns und um die Gemütslage Hunderttausender Fans geht.
Aber noch etwas fiel mir bei den Zuschriften auf. Zwischendurch gab es immer wieder Berichte über das soziale Engagement der Fanclubs. Ein Aspekt ihrer Arbeit, der im öffentlichen Bewusstsein nicht vorkommt. Es war kaum noch zu zählen, wie viele Fotos mit Spendenschecks ich zu einem stattlichen Haufen stapelte – Spenden für Kindergärten, Hochwasseropfer, Behindertenzentren, Jugendmannschaften, Krebskliniken und so weiter. Ein Engagement, bei dem sichtbar den jahrzehntelangen privaten Aktivitäten von Uli Hoeneß nachgeeifert wurde. Dabei kam es noch gar nicht einmal auf die Höhe der Spendensumme an. Es geht allein um die Geste an sich. 100 Euro sind für einen Fußball-Fanclub eine Menge Geld. Wer darüber lächelt, vergisst die Alters- und Sozialstruktur der meisten Fanclubs. Umso mehr war ich verblüfft, welch’ vierstellige Beträge bisweilen aufgebracht wurden.
Deutlich wurde an den Zuschriften der Fanclubs auch deren Sozialfunktion. Oft bilden sie in dünn besiedelten Landstrichen der Oberpfalz oder in Niederbayern nicht nur einen wesentlichen Bestandteil im Freizeitangebot vor Ort, sondern stellen für viele oft die einzige Gelegenheit dar, überhaupt mal ein Bayern-Spiel im Stadion zu besuchen. Wenn man sich mal genauer anschaut, welche Personenkreise hier von Fanclubs über das verbindende Element »FC Bayern« problemlos integriert werden, dann verdient das allergrößten Respekt. Nicht selten wird dieses Angebot von Angehörigen gesellschaftlicher oder sozialer Randbereiche angenommen, denen woanders ein Zugang verwehrt bleibt. Auch das sei jenen in Erinnerung gerufen, die sich abfällig über Fanclubs äußern.
Da saß ich nun mit der ganzen Post. Es war echt verrückt. Eigentlich hätte ich mich sogar schon gefreut, wenn ich nur über die Tischtennis-Jugendabteilung des FC Bayern hätte berichten dürfen. Okay, das war jetzt vielleicht etwas übertrieben. Aber dass es für mich gleich so rasant losging, war nun wirklich nicht abzusehen. Als ich in der ersten Ausgabe meinen Namen im Impressum las, empfand ich das als Ritterschlag und schien mir die konsequente Fortsetzung aus 16 Jahren intensiver Arbeit als Fanclub-Vorsitzender. Mit meinem eigentlichen Beruf bei einem Versicherungskonzern ließ sich die Tätigkeit vereinbaren. Das lag im Wesentlichen daran, dass ich frei vom aktuellen Tagesgeschehen schreiben konnte und somit die Sportberichterstattung nicht so intensiv zu verfolgen brauchte. Meine Artikel befassten sich ja mit der Vereinsgeschichte und dem Fan-Geschehen. Da fielen eine spontane Trainerentlassung oder der momentane Titelkampf nicht ins Gewicht. Insofern konnte ich zwischendurch, wenn es der Beruf ermöglichte, auch mal »auf Halde« schreiben. Zwar schickte ich meine Beiträge online in die Redaktion, doch einmal in der Woche tauchte ich in der Säbener Straße auf, um die Fanpost abzuholen. Die Geschäftsstelle lag ja ohnehin fast auf dem Weg zur Arbeit.
Diese regelmäßigen Besuche in der Säbener Straße wurden bald zur Gewohnheit. Wenn ich im ersten Stock des Verwaltungsgebäudes durch die stets verschlossene Glastür musste und sich diese erst nach Nennung meines Namens in die Gegensprechanlage öffnete, wurde mir klar, dass ich hier ein Privileg genoss. Dieses Gefühl spürte ich vor allem dann, wenn Fans im Treppenhaus am Ticketschalter Schlange standen und mir hinterherschauten, wie ich in den »heiligen Fluren« verschwand. Wenn ich mir meine Post frühmorgens abholte, nutzte ich den zu dieser Uhrzeit noch verwaisten Parkplatz der Profis. Nicht selten stieß ich trotzdem dort auf Spieler, die etwas früher zum Training oder zur Reha-Behandlung kamen und neben mir parkten. Und was machte ich in dieser Situation? Das, was ich als höflicher Mensch bei jedem
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