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Sehnsucht FC Bayern

Sehnsucht FC Bayern

Titel: Sehnsucht FC Bayern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armin Radtke
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Tölz) und in Hausham (Landkreis Miesbach). Dass der Verein mit einer Not-Elf angetreten war, ist noch leicht übertrieben. Zeitweise standen nur noch drei Profis auf dem Platz. Was mir an diesen beiden Spielen besonders in Erinnerung blieb, war Ottmar Hitzfeld. Trotz der demütigenden 1:3-Heimniederlage am 32. Spieltag gegen Werder Bremen, was den endgültigen Titel für die Hanseaten bedeutete, legten Hitzfeld und sein Co-Trainer Henke nach dem letzten Pflichtspiel ihre Amtsgeschäfte nicht nieder, obwohl ihnen der Verein das anbot. Im Gegenteil: Sie nahmen ihr Amt noch bis zum letzten Schlusspfiff wahr. Das hochgradig pflichtbewusste Verhalten eines Mannes, der vor drei Jahren in Mailand und Tokio triumphierte. Jetzt saß er vor noch nicht einmal 1.000 Zuschauern auf der Bank des nebligen Dorfsportplatzes. Konnte so seine Ära zu Ende gehen? Nein!
    Dieses E-Book wurde von der "Verlagsgruppe Weltbild GmbH" generiert. ©2012

2004/05
    A BSCHIED
    In München hatten wir uns so weit eingelebt, wurden aber beide nicht wirklich heimisch. Woran das lag, vermag ich eigentlich nicht zu erklären. Keine Frage, die Stadt ist wunderschön und hat an vielen Stellen ein Flair, das seinesgleichen sucht. Das gilt für mondäne Ecken wie in der Maximilianstraße oder am Lenbachplatz genauso wie im Englischen Garten oder am Flaucher, wo man die Seele bei einer Maß Bier herrlich baumeln lassen kann. München hat eine grandiose Biergarten-Kultur! Und angeblich wollen ja die meisten Deutschen, wenn sie denn in eine andere Stadt ziehen müssten, hierhin. Um Missverständnissen vorzubeugen: München ist eine klasse Stadt. Eigentlich hätten wir uns hier wohlfühlen müssen. Dennoch blieb ein merkwürdiges Bauchgefühl, das uns etwas anderes vermittelte.
    Wir waren nicht die Einzigen, denen es so erging. Ist es wirklich ein Zufall, dass es in der bayerischen Landeshauptstadt einen Köln-Münchner-Karnevalsverein mit knapp 200 Mitgliedern gibt, die sich einmal im Monat eine komplette Münchner Diskothek für einen »Kölner Abend« anmieten und sich fünf Stunden lang bei Kölsch vom Fass nonstop zur Musik von BAP, Höhner, Bläck Fööss und Brings besaufen und die Lunge aus dem Hals singen? Hat man in München Vergleichbares von Schwaben, Hessen, Pfälzern, Hanseaten oder Sachsen gehört? Nein. Ist es nur Zufall, dass eigentlich alle ehemaligen Bayern-Spieler aus dem Rheinland, wie Toni Schumacher, Calle Del’Haye, Dieter Danzberg oder Wolfgang Rausch, nach Ende ihrer Karriere wieder dorthin zurückkehrten? Wem fällt hier nicht Lukas Podolski ein? Vielleicht hätte »Prinz Poldi« öfter mal beim »Kölner Abend« vorbeischauen sollen …
    Antje und ich hatten ein Luxusproblem. Trotz guter Jobs und einer schönen Wohnung blieb ein unbestimmtes und nicht näher zu erklärendes Empfinden, in dieser Stadt nicht angenommen zu werden. Und man glaube mir: Wir hätten dieses Bauchgefühl wahrlich gerne ergründet und abgestellt. Im Stadion an der Grünwalder Straße hingen 1860-Fans mal ein riesengroßes Banner auf, mit dem sie für den Erhalt des Stadions kämpften: »HEIMAT IST DA, WO DAS HERZ WEH TUT.« Schöner hätte man es nicht ausdrücken können. Also nutzten wir jede sich bietende Möglichkeit, in unsere Heimat zurückzufahren. Die Domstadt versteht es, auf genauso unerklärliche wie emotionale Weise, eine Bindung zu ihren Bürgern zu schaffen, die außerhalb jeder Rationalität liegt.
    Die lebendige Musikszene der Stadt tut ihr Übriges, dieses Gefühl mit entsprechenden Songs auszudrücken. Songs, die in Kölner Schulen im Unterricht gelernt werden und teilweise 50 Jahre alt und älter sind. Die Kulturstiftung der Stadtsparkasse Köln hat einmal recherchiert, dass es mittlerweile etwa 1.300 Lieder gibt, die sich mit Köln beschäftigen. Da reicht eine Karnevalssession nicht aus, um das gesanglich zu bewältigen. Abgesehen davon ist in Köln ganzjährig Karneval. Wer einmal ein Heimspiel des 1. FC Köln, des SC Fortuna Köln oder der »Kölner Haie« im Eishockey besucht hat, bekommt eine ungefähre Vorstellung davon, was ich meine. Köln ist chaotisch, schmutzig, unpünktlich, irrational, hässlich und faul. Und trotzdem liebenswert? Ja, genau deswegen. Weil man eben nicht perfekt sein kann, dies natürlich auch weiß – und meist auch gar nicht perfekt sein will. Der Kölner versteht es geradezu meisterhaft, eigenen Defiziten nicht nur etwas Positives abzugewinnen, sondern diese zu zelebrieren. In diesem »Biotop für

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