Sehnsucht FC Bayern
seinem Wechsel nach München bei den Eltern im heimischen Kulmbach gelassen zu haben. Als er abends, vor dem Abflug zu einem Freundschaftsspiel in Frankreich, überraschend telefonisch nachnominiert wurde, löste der eigentlich wohlgemeinte Hinweis »Vergessen Sie aber Ihren Reisepass nicht!« augenblickliche Panik aus. Armin Eck fuhr noch in der gleichen Nacht im Kleinwagen nach Kulmbach, holte sich seinen Reisepass und erreichte frühmorgens in allerletzter Minute den Abflug nach Frankreich. Dort gehörte er prompt zur Startelf und bekam, völlig übermüdet, kein Bein auf den Boden.
An Anekdoten schoss allerdings Hermann Gerland den Vogel ab. Der Trainer unserer zweiten Mannschaft und ehemalige Co-Trainer der Saison 1991/92 beorderte mich nach absolvierter Arbeit kurzerhand in seine Umkleidekabine im Untergeschoss der Säbener Straße. Es wurde kein Interview, es wurde ein temperamentvolles Lehrgespräch über Trainingsformen und Menschenführung. Von meinem Konzept musste ich mich bereits nach fünf Minuten verabschieden. Der »Tiger« referierte an einem Stück und garnierte seine Ausführungen immer wieder um brüllend komische Pointen. Wiederholt sprang er laut von seinem Stuhl auf und demonstrierte mit Gesten das, was er zuvor schon eindrucksvoll beschrieben hatte. Nach einer Stunde emotionsgeladenem Gespräch verließ ich die Kabine erschöpft und mit heißen Ohren. Der Mann ist nicht nur einmalig, er ist sagenhaft!
Was den Umfang meiner Gespräche anbelangt, so liegen Norbert Nachtweih (1982-89) und Wolfgang Kraus (1979-84 beim FCB) ganz weit vorne. Während mir Wolfgang Kraus einige interessante Hintergrundinformationen aus der Bundesliga erzählte (»Das schreiben Sie jetzt aber nicht, Herr Radtke!«), lieferte Norbert Nachtweih mit der Schilderung seiner Flucht aus der DDR ein Paradestück deutschdeutscher Sportgeschichte. Den zeitlichen Rekord hält allerdings Pal Csernai. Leider nur telefonisch aus Budapest brachte es unser ehemaliger Trainer (1979-83) auf zwei Stunden und 45 Minuten! Ich dachte nicht im Traum daran, den Erzählfluss dieses Fußballverrückten zu unterbrechen. Seine pointierten Analysen, gepaart mit einem souveränen, trockenen Mutterwitz in ungarischem Dialekt, waren ein Genuss. Immerhin schaffte es mein Interview auszugsweise sogar bis in die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Für mich eine Art Ritterschlag. Den vielleicht rührigsten Moment erlebte ich mit Adi Kunstwadl. Was für ein Name für einen Fußballspieler! Mit ihm (1961-66 beim FCB) war ich in einer Gaststätte in München verabredet. Als ich nach Ende des Gespräches die Getränke für uns bezahlen wollte, meinte der 67-Jährige mit der Bilanz von zwei Bundesligaspielen augenzwinkernd: »Lassen Sie mal gut sein, ich übernehme die Rechnung. Schließlich war ich der Profi!«
Mein Erstkontakt zu den Spielern erfolgt telefonisch, was bei mir bis heute mit einer gewissen Nervosität verbunden ist, denn es handelt sich fast immer um ehemalige Stars. Wenn man eine markante Stimme, wie beispielweise die von Klaus Augenthaler oder Jean-Marie Pfaff, jahrelang nur aus dem Fernseher kennt und dann plötzlich live im eigenen Handy hört, ist das eine merkwürdige Situation. Zumindest für mich. Andere mögen da vielleicht cooler sein. Meine Aufgeregtheit hat aber auch ihr Gutes. Sie bewahrt mich vor Nachlässigkeit und sorgt für eine akribische Vorbereitung. In der Auswahl meiner Gesprächspartner bin ich insofern weitestgehend frei, weil meine Vorschläge bisher fast immer angenommen wurden. Lediglich dreimal fanden meine Ideen keinen Anklang. Ich war überrascht. Was war los?
Zunächst musste ich erfahren, dass es nun mal Spieler gibt, die sich wenig professionell vom FC Bayern verabschiedet haben. Nun ja, auch das soll mal vorkommen. Ein anderes Mal gab es den Fall, dass ein ehemaliger Offensivspieler einfach keine Lust hatte, sich vom Bayern-Magazin interviewen zu lassen. Tja, da half auch kein Charme gegenüber der peinlich berührten Spielerfrau am Telefon. Meinen dritten abschlägig beschiedenen Vorschlag werte ich allerdings als Kompliment. Ich schlug Pasi Rautiainen, den finnischen Stürmer von 1980, als nächsten Gesprächspartner vor. Hans-Peter Renner, Chefredakteur des Bayern-Magazins, runzelte die Stirn: »Armin, den kennt hier außer uns beiden wirklich niemand mehr!«
Im krassen Gegensatz dazu ist es fast unglaublich, wie die allermeisten unserer ehemaligen Spieler von ihrer Zeit in München schwärmen und dabei
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