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Sehnsucht FC Bayern

Sehnsucht FC Bayern

Titel: Sehnsucht FC Bayern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armin Radtke
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einem solch auffälligen Luxusgefährt, einer Spezialanfertigung mit Einbauküche, Soundsystem, besonderer Bestuhlung und Cafè-Theke. Ich fühlte mich wie ein König auf dem Thron. Ein Stau wäre mir gar nicht ungelegen gekommen – nur um die Fahrtzeit zu verlängern. Dass der Bus während der stundenlangen Fahrt dauernd angehupt wird, hatte man mir bereits erzählt. Womit ich nicht gerechnet hatte, war, dass selbst ich aus den überholenden PKWs heraus permanent mit Handys fotografiert wurde. Mit meinem Adidas-Outfit hatte ich mich verabredungsgemäß etwas der »Dienstkleidung« der Busfahrer angeglichen und tat eigentlich nichts weiter, als einfach nur dazusitzen. Ich winkte weder huldvoll zurück noch sah ich mit meiner Brille wie ein Spieler aus. Egal, ich saß in dem Bus und wurde »sicherheitshalber« auch gleich mal mit abfotografiert. Diese skurrile Situation amüsierte und befremdete mich und machte mich gleichzeitig auch nachdenklich. Ich bekam am eigenen Leib nur einen winzigen Hauch davon mit, welchem Hype Bundesligaspieler ausgesetzt sind. Ist es da verwunderlich, wenn so mancher Jungprofi mit 20 Jahren oder jünger diese Erfahrung nicht richtig einsortieren und verarbeiten kann?
    Trotz mehrfacher Aufforderung durch die Busfahrer machte ich vom reichhaltigen Angebot der Bordküche keinen Gebrauch. Das lag aber nicht nur am respekteinflößenden Ambiente des Sitzplatzes von Uli Hoeneß, wo ich es mir – man mag es kindisch finden – nie erlaubt hätte, mit einem Frühstücksbrot rumzukrümeln. Es lag auch an meinem Auftrag, eine Reportage zu schreiben, so dass ich fortwährend einen der Fahrer mit Fragen bombardierte oder mein Notebook fütterte. Als wir uns meiner Heimatstadt näherten und ich von der Rodenkirchener Autobahnbrücke den Dom sah, hätte ich am liebsten still in mich hineingeweint, um ein Ventil für meine Freude haben. Es klappte aber nicht. Emotional war ich auf dem Niveau eines Achtjährigen, der Heiligabend die Geschenke für die nächsten vier Jahre auf einmal bekommt. Was kam da nicht alles an Erinnerungen in mir hoch? All die langen Fahrten, die ich mit Freunden zu fünft im Kleinwagen von Köln nach München unternommen hatte oder das »Rumasseln« auf diversen Autobahnraststätten. Und nun, 20 Jahre später, fuhr ich mit dem Mannschaftsbus in offizieller Mission die umgekehrte Richtung von München nach Köln.
    Weil die Mannschaft nie direkt am Spielort übernachtet, fuhren wir an Leverkusen vorbei bis Düsseldorf, bezogen dort das Hotel und holten das Team abends am Flughafen ab. Für mich galt das komplette Wochenende eine klare Spielregel: Wenn die Mannschaft den Bus betritt, musste ich raus. Was sich so restriktiv anhört, hatte einen weiteren plausiblen Grund. Mit 30 Plätzen war der Bus ohnehin belegt. Wenn man mal durchzählt, wie viele Leute auswärts zum Mannschaftstross gehören, ist diese Platzzahl schnell erreicht. Ich nahm mir auf Vereinskosten einen Mietwagen und überbrückte die wenigen freien Stunden mit einem Familienbesuch.
    Samstagmorgen, zu einer Zeit, an der ich sonst gerade mal das erste Auge öffne, ging es mit dem Mannschaftsbus nach Leverkusen, um die Kabine einzurichten. Erstaunlich, was um diese Uhrzeit in einem Bundesligastadion schon los ist und wie viele Menschen zum Gelingen eines Spiels beitragen. Nach Ausladen der Mannschaftskoffer zurück ins Hotel nach Düsseldorf, wo auch mein Mietwagen stand, den ich ja noch brauchen sollte. Als der Bus eine Stunde vor Anpfiff die BayArena erreichte und vor der Haupttribüne geparkt hatte, durfte auch ich ihn wieder betreten. Mehrere hundert Augenpaare beobachteten mich dabei. Erneut klickten einige Fotoapparate. Auch während des Spiels hatte ich Zugang zum Bus, machte Gebrauch davon und verpasste prompt den Ausgleichstreffer von Bayer 04. Während auf den Plasma-Bildschirmen im Bus Premiere lief, wurde im hinteren Teil des Fahrzeugs das Abendessen für die Mannschaft vorbereitet. Ich machte mir wieder fleißig Notizen und ärgerte mich über das 1:1. Ein Fußballspiel live im Fernsehen zu verfolgen, das 30 Meter weiter stattfindet, ist eine merkwürdige Situation. Aber was war für mich an dem Wochenende eigentlich nicht merkwürdig? Nachdem die Mannschaft wieder zum Düsseldorfer Flughafen gebracht worden war und ich auch meinen Mietwagen abgegeben hatte, durfte ich wieder zusteigen. Am Sonntagmorgen lag ich um vier Uhr wieder in meinem Bett. So abgedroschen es sich anhört: erschöpft, aber glücklich.

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