Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sehnsucht FC Bayern

Sehnsucht FC Bayern

Titel: Sehnsucht FC Bayern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armin Radtke
Vom Netzwerk:
praktischerweise auch noch am WC vorbeikommt. Für Medienprofis mögen dies Selbstverständlichkeiten sein. Ich hingegen, der mit engem Stehplatz, kalter Bratwurst und versifften Pissoirs ausreichend Erfahrung gesammelt hatte, genoss es, beim Betreten des Stadions nicht abgetastet zu werden, einen eigenen Parkplatz in Spielfeldnähe zu haben und in der Pause auch noch einen Kaffee zu bekommen.
    Nach Schlusspfiff schloss sich die Pressekonferenz an. Was ich anfänglich für eine spannende Sache hielt, entpuppte sich bei näherem Erleben für beide Trainer als routinierte Pflichterfüllung von maximal vier Minuten Dauer, deren Höhepunkt noch am ehesten die launige Moderation von Bayern-Pressesprecher Markus Hörwick darstellte. Fragen aus dem Kreis der versammelten Presseschar gab es keine. Dafür stürzten sich anschließend alle auf die Trainer oder in Richtung »Mixed Zone«, um vermeintlich exklusive Originaltöne zu ergattern. Darauf muss man erstmal kommen. Entsprechend turbulent ging es dort zu. Dieser Bereich ist ein sehr breiter und langer Flur, der die Verbindung zwischen Mannschaftskabinen und den parkenden Vereinsbussen darstellt. Da musste jeder Betreuer, Trainer und Spieler vor und nach dem Spiel durch. In der Mitte standen nach dem Spiel die Journalisten sortiert nach Fernsehen, Radio und Printmedien. Die Bayern-Spieler durchschritten, ihren Trolly hinter sich herziehend, den Flur links herum, Spieler des Gastvereins rechts herum. Entsprechende Wanderungsbewegungen der mittig postierten Journalisten waren nun die Folge. Es war interessant, das Treiben zu beobachten. Zumindest für mich. Aber ich musste ja auch nicht anschließend sofort einen Beitrag abliefern.
    Eine bis heute von mir nicht mehr überbotene Mischung aus Spontanität, Abenteuerlust, Risikobereitschaft und Verrücktheit lieferte ich, zusammen mit Sven, im Januar 2006 ab. Binnen acht Werktagen organisierten wir für uns eine Reise zu einem »Schurkenstaat« innerhalb der »Achse des Bösen«, um mal zwei Begriffe des ehemaligen US-Präsidenten Georg W. Bush jun. zu verwenden. Die Reise ging nämlich in den Iran, genauer gesagt nach Teheran. Durch das negative Image dieses Landes gewann der ohnehin schon ungewöhnliche Trip an zusätzlichem Reiz. Mit Blitz-Visum des Generalkonsulats der Islamischen Republik Iran in Frankfurt ging es über Istanbul nach Persien. Warum wir dort gegen Persepolis Teheran überhaupt antraten, ist mir noch heute ein Rätsel. Angesichts zahlreicher antisemitischer Verlautbarungen des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad gab es in Deutschland äußerst kritische Stimmen im Vorfeld dieses Spiels.
    Ich hätte nie gedacht, dass ich mich mal wegen Bayern München mit dem iranische Atomprogramm oder der Islamischen Revolution von 1979 beschäftigen würde. Reisen bildet tatsächlich. Für vier Tage bewegten wir uns im Moloch einer Acht-Millionen-Metropole. Eigentlich hatten wir uns den Iran als warmes Land vorgestellt. Umso mehr wurden wir vom Schneefall in der Hauptstadt überrascht, die teilweise auf immerhin 1.700 Metern Höhe liegt. Während die Mannschaft vom traditionellen Trainingslager in Dubai »mal eben so« zweimal 1.200 Kilometer für ein Freundschaftsspiel nach Persien flog, stapften wir im knöchelhohen Schnee durch den Garten des ehemaligen Schah-Palastes. Wir froren erbärmlich. Dieser Zustand hielt auch beim Spiel an. Genau 38 Bayern-Fans tummelten sich im Gästeblock auf der Haupttribüne des Azadi-Stadions, mit ursprünglich 140.000 Plätzen eines der weltweit größten Fußballstadien überhaupt. Mitten unter uns: Ali Daei – der ehemalige Bayern-Stürmer und heute die graue, bisweilen schillernde Eminenz des iranischen Fußballs.
    Letztlich machten wir die gleichen Erfahrungen wie in Israel. Irgendwann vergisst man fast, dass man sich in einem etwas anderen Land bewegt. Uns Deutschen begegnete man ohnehin nicht selten ausgesprochen freundlich. Leider jedoch aus zweifelhaften Gründen, die mit unserer Vergangenheit und dem abscheulichen Umgang mit den Juden zusammenhängen. Insofern war ich im Nachhinein froh, dass ich mir nach dem Spiel in Tel Aviv ohnehin einen neuen Reisepass zulegen musste. Mit dem Einreisevermerk nach Israel hätte es an der iranischen Grenze Probleme geben können. In solchen Momenten wurde mir die Besonderheit unserer Reise genauso bewusst wie beim Besuch des wohl weltweit einzigartigen Märtyrer-Museums. Eine schauerliche Reliquiensammlung blutdurchtränkter

Weitere Kostenlose Bücher