Sehnsucht nach dem Maerchenprinzen
müsste mich überschlagen, um jemanden zu seiner Betreuung nach der Schule und während der Ferien zu finden. Stellst du dir das alles so einfach vor?â
âNein, aber diese Sorge bist du nun ja losâ, antwortete er. âFür unseren Sohn wird gesorgt. Er hat ja jetzt seinen Vater.â
âDu kannst mich nicht so unter Druck setzenâ, verteidigte sie sich weiter. Dabei fiel ihr ein, wie sie unter Martyns rücksichtslosem Verhalten gelitten hatte. Doch Rohan war nicht Martyn!
âUnter Druck?â, wiederholte er überrascht. âWie das? Wir begehren einander noch genauso wie damals. Willst du das etwa abstreiten?â
âIch durfte nie ich selbst sein, Rohan ⦠verstehst du das denn nicht? Ich hatte sozusagen kein eigenes Ich.â
Die traurige Feststellung erschütterte ihn. âHattest du gehofft, Martyn lieben zu können?â, fragte er.
âIch verachtete ihn!â
âWieso?â Rohan wunderte sich immer mehr. âWas hat er getan? Er war doch immer verrückt nach dir. Warum hast du ihn verachtet? Heraus damit! Ich muss es wissen.â
Charlotte beugte den Kopf zurück, um Rohan besser ins Gesicht sehen zu können. Dabei fiel ihr das blonde Haar weit über den Rücken. Was sollte sie sagen, wenn sie eine Auseinandersetzung vermeiden wollte?
âMartyn hatte keinen Charakterâ, begann sie zögernd. âSeine Mutter hat ihn von klein auf so verwöhnt, dass nichts aus ihm werden konnte. Bitte ⦠wir wollen nicht über ihn sprechen. Er ist tot, und dafür bin ich mitverantwortlich.â
âIch kann nicht glauben, dass du vor Martyn Angst hattest. Er konnte manchmal etwas ruppig sein, aber das hat dich nie gestört. Die anderen Prescotts ⦠na ja.â Rohan verzog abschätzig die Lippen. âDurch deine Heirat wurdest du ein Mitglied der Familie, aber auf Gordon war doch Verlass?â
âWas vergangen ist, ist vorbeiâ, sagte sie leise. âNiemand vermag es mehr zu ändern.â
âDu willst also nicht darüber reden?â
âEs gibt nichts mehr zu redenâ, beharrte sie. âWenn ich alles ungeschehen machen könnte, würde ich es tun.â
âDas ergibt keinen Sinn für michâ, stöhnte Rohan. âWenn du Christopher ernsthaft für Martyns Sohn gehalten hast â und das behauptest du ja â, musst du mit uns beiden geschlafen haben.â
âIch war allein, Rohan.â Schutzlos. Isoliert. âDu hast den Job in Westaustralien angenommen, weil dir dort viel Geld geboten wurde, aber dadurch warst du den ganzen Sommer fort ⦠fast vier lange Monate. Bitte, Rohan ⦠ich kann nicht mehr dazu sagen. Ich habe dich und mich betrogen. Ich habe mein Leben verpfuscht und bitte nur noch um Schonung. Du hast mir erklärt, was du willst, und ich verstehe dich. Ich kann nur versuchen, einiges wiedergutzumachen.â
Rohan hob abwehrend die Hand. âDas vermagst du leider nicht, Charlotte. Ich habe Verständnis dafür, dass du weiter ein sorgloses Leben führen wolltest. Nur eins kann ich dir nicht verzeihen ⦠dass du mir meinen Sohn und meiner Mutter ihren Enkel vorenthalten hast. Ja ⦠weine nur. Du hast Grund dazu. Ich bringe dich jetzt nach Hause. Daddy wartet bestimmt schon auf seine Prinzessin.â
Wie Charlotte befürchtet hatte, erhob ihr Vater schwere Einwände gegen das Wochenende in Sydney.
âDu hast dich schon immer von diesem Costello manipulieren lassenâ, polterte er los. âAls ob der Junge irgendeine Macht über dich hätte! Du hast dich nie gegen ihn wehren können.â
Das musste Charlotte zugeben. Die Seelenverwandtschaft zwischen ihr und Rohan war von Anfang an fast unheimlich gewesen. âRohan ist kein Junge mehrâ, entgegnete sie heftig, âund ich selbst bin auch kein Kind mehr. Ich bin sechsundzwanzig Jahre alt und möchte mein eigenes Leben führen.â
âAber nicht mit Costello.â Vivian Marsdon schüttelte heftig den Kopf. âAuf keinen Fall mit dem. Schon die Vorstellung ist unerhört. Was würde deine Mutter dazu sagen?â
âWelche meinst du denn?â, fragte Charlotte gequält. âVon der, die mich und meinen kleinen Sohn so liebevoll hegt und pflegt? Mum hat uns im Stich gelassen, Dad. Es ist mir mehr als gleichgültig, was sie denkt.â
âDas glaube ich dir nichtâ, widersprach ihr Vater.
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