Sehnsucht nach dem Maerchenprinzen
âDu liebst sie immer noch, genau wie ich. Ein Kind wird seine Mutter immer lieben ⦠egal, was sie getan hat.â
âSie hat dich genauso alleingelassen wie mich.â
âEs war Riverbend, Charlie ⦠Riverbend und der unselige Fluss. Wie kommt es, dass wir Mattie immer noch am Ufer entlanggehen sehen?â Vivian Marsdon lächelte kläglich. âEr ist immer noch bei uns, nicht wahr? Auch Chris spürt seine Gegenwart. Ich habe früher nicht viel darüber nachgedacht, ob man eine Seele hat, aber inzwischen weià ich es. Matties Geist ist noch bei uns, Charlie, und er ist glücklich. Wo immer er sich befindet ⦠es geht ihm gut.
Erinnerst du dich noch an die seltsame Frau, die vor einigen Jahren am Ortsrand wohnte? Nach ihrer Kleidung hätte man sie für eine Zigeunerin halten können. Einmal trat sie mir und Christopher in den Weg und fragte, wer das Kind sei, das neben uns ginge â¦â
âJa, das tue ichâ, bestätigte Charlotte lebhaft. âSie beschrieb es als einen blonden, etwas schwächlich wirkenden Jungen von etwa vierzehn Jahren.â
âGanz genau. Damit konnte nur Mattie gemeint sein. Ich war damals geschockt, nahm dann aber an, dass jemand ihr von Mattie erzählt haben musste.â
âVielleicht war es so, Dad, aber ich glaube es nicht. Sie war noch zu kurz in der Gegend, um schon Kontakte geschlossen zu haben. AuÃerdem wäre es grausam gewesen, dich so anzusprechen. Doch die Frau wollte dich bestimmt nicht verletzen. Sie lebte still und zurückgezogen in dem alten Cottage einer Verwandten, ohne sich um andere zu kümmern. Vielleicht war sie wirklich eine begnadete Seherin. Sie hat Mattie wirklich gesehen, Dad. Wir alle sehen ihn von Zeit zu Zeit. Er ist gar nicht so weit weg. Ein Teil von ihm ist immer noch da, wo er sein irdisches Leben beendet hat.â
âDeine Mutter konnte den Gedanken nicht ertragenâ, sagte Vivian Marsdon, âaber mich hat er getröstet. Ich wünsche mir sehnlichst, dass die Frau recht hatte.â
Charlotte griff nach der Hand ihres Vaters. âIch mir auch, Dad.â
âDu bist eine gute Tochterâ, versicherte Vivian warm. âMeine Tochter.â Er zog sein Taschentuch aus der Hose und schnäuzte sich energisch. âDu fährst am Wochenende also nach Sydney?â
âJa.â
âWeià Chris schon Bescheid?â
âIch wollte erst mit dir sprechen.â
âDas war lieb von dir.â Vivian drückte sich tiefer in seinen Sessel. âIch glaube, er wird nichts dagegen haben.â
Charlotte holte Christopher und die Stafford-Kinder wie üblich von der Schule ab.
âIch muss dich etwas fragenâ, begann sie, nachdem Peter und Angela vor ihrem Haus ausgestiegen waren. âRohan hat mich gebeten, ihn Samstag in Sydney zu einer Wohltätigkeitsveranstaltung zu begleiten. Was hältst du davon?â
âIst das wahr?â Christopher machte groÃe Augen. âEr hält sich ran ⦠das muss ich sagen.â
âWenn es dir nicht recht ist, bleibe ich hier.â
Christopher lachte. âDas meinst du nicht so. Rohan ist ein echt cooler Typ, den ich gern zum Freund hätte. Er weià einfach alles ⦠zumindest mehr als Grandpa, glaube ich. Er kennt sich auch mit Wein und Oliven aus und hat viele Pläne für Riverbend. Das hat er uns erzählt, als er Peter und mich im Hubschrauber mitgenommen hat. Ehrlich, Mum ⦠Du könntest keinen Besseren zum Ausgehen finden. Du bist ohnehin zu viel allein. Dabei hast du so hübsch in dem langen grünen Kleid ausgesehen. Rohan fand das auch.â
Charlottes Herz klopfte schneller. âHat er das gesagt?â
âJa. Er hat auch von der Zeit gesprochen, als ihr noch klein wart. Ihr müsst euch wirklich sehr gut verstanden haben ⦠Rohan, du und Onkel Mattie.â
âVon deinem Vater hat er nichts erzählt?â
âVon Daddy? Nein. Sonst hätte ich ihm vielleicht gesagt, dass der mich nicht mochte.â
âChristopher!â, rief Charlotte. âWie kannst du so etwas behaupten?â
âEs stimmt doch, oder? Jedenfalls nicht so wie Grandpa oder du. Du liebst mich wirklich.â
âDarauf kannst du wettenâ, versicherte Charlotte mit Nachdruck. âAber glaub mir ⦠dein Vater hat dich auch geliebt.â
âNein, Mum.â Christopher schüttelte den Kopf. âKeiner von Daddys Familie
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