Sehnsucht nach dem Maerchenprinzen
âÃber meinen Tod wärst du hinweggekommen ⦠wahrscheinlich sehr schnell. Lass bitte meinen Arm los.â
Ihre Mutter war vernünftig genug, der Aufforderung nachzukommen. âIch habe gerade erst erfahren, dass Rohan neuer Besitzer von Riverbend istâ, sagte sie. Nach ihrem Ton zu schlieÃen, fand sie das unerhört.
Charlotte bemerkte, dass sie von einigen Umstehenden beobachtet wurden, und ging einige Schritte zur Seite. Der Wind, der vom Hafen herüberwehte, fing sich in ihrem langen blonden Haar und im Rock ihres eleganten weiÃen Chiffonkleids.
âSprich etwas leiserâ, bat sie ihre Mutter, die ihr wohl oder übel gefolgt war. âDu hast eine tragende Stimme.â
âIch würde mir am liebsten die Seele aus dem Leib schreien.â Barbara Reiner kämpfte sichtlich um ihre Fassung. âDu bist wieder mit ihm zusammen, nicht wahr? Sein Liebchen ⦠wie eh und je. Deinen Vater kannst du hinters Licht führen, Charlotte, aber mich nicht. Ich hatte schon immer meine Zweifel, dass Christopher Martyns Sohn ist. Was für eine schreiende Ungerechtigkeit! Hat er jemals erfahren, wie sehr du ihn betrogen hast?â
âNein ⦠niemals!â Auch Charlottes Erregung nahm zu. âEs mag ein Schock für dich sein, aber als ich Martyn heiratete, glaubte ich, das Kind sei von ihm.â
âFür wie blöd hältst du mich eigentlich?â Barbara lachte verächtlich. âDu hast nicht den Mann, sondern sein Geld geheiratet. In gewisser Weise verstehe ich das sogar. Man kann nicht nur von Liebe leben ⦠oder von dem, was die Leute dafür halten. Bei dir und Rohan war es nur Lust.â
âLust?â Charlotte bezwang ihren Zorn. âWas soll bloà aus dir werden, Mum? Du bist ein Fall für den Psychiater.â
Trotz des Halbdunkels war zu erkennen, dass Barbara errötete. âÃbertreib es nichtâ, warnte sie ihre Tochter. âWas wäre geschehen, wenn Martyn überlebt hätte? Wenn du ehrlich bist, hast du beide hintergangen. Unglaublich! Daddys unschuldiger blonder Engel hat mit zwei Männern zugleich geschlafen. Man kann sich nur wundern!â
âWundere dich, so viel du willst.â Charlotte fröstelte plötzlich trotz der lauen Nachtluft. âIch habe nicht mit Martyn geschlafen, Mum ⦠er hat mich mit Gewalt genommen.â Es war nur der Erregung zuzuschreiben, dass sie ihr wohlbehütetes Geheimnis preisgab.
Ihre Mutter wich mit schallendem Gelächter zurück. âDas ⦠glaube ⦠ich ⦠nicht!â
âWarum nicht? Du bist doch so schlau.â Charlotte war der Verzweiflung nah. Wie hatte sie sich so weit vergessen können? âIch bat Martyn aufzuhören, aber er wollte nicht ⦠konnte nicht mehr. Von da an bestimmte er mein Leben, und ich musste mich fügen.â
âWas hättest du sonst auch tun sollen?â Barbara trat angewidert noch einen Schritt zurück. âMartyn hat dich aufrichtig geliebt, du albernes Ding! Für mich steht fest, dass du ihn verführt hast. WeiÃt du, was du bist?â
âSag es mir, Mum.â Charlotte empfand nichts mehr. Ihr war, als hätte es so etwas wie Liebe zwischen Mutter und Tochter nie gegeben.
âCharlotte?â Rohan war unbemerkt näher gekommen.
âWag es nicht, ihn in die Sache hineinzuziehenâ, warnte Charlotte ihre Mutter.
Barbara warf den Kopf zurück. âDas kann und werde ich tun!â
âGuten Abend, Mrs Reiner.â
Als wäre er der Teufel persönlich, fuhr Charlottes Mutter auf ihn los. âIhr beide verdient einander, wisst ihr das? Haltet ihr mich vielleicht für schwachsinnig?â
âIm Gegenteil, Mrs Reinerâ, antwortete Rohan gelassen. âNur warum benehmen Sie sich dann so? Sie möchten doch bestimmt keine öffentliche Szene riskieren. Sie haben schlieÃlich noch einen Ruf zu verlieren.â
âBleiben Sie gefälligst höflich ⦠Costello!â Es klang, als spräche Barbara mit ihrem Stallknecht.
âGern, wenn Sie sich auch so benehmen, Mrs Reiner.â Rohan nahm Charlottes Arm. Nie war ihm so klar gewesen, wie sehr sie in all den Jahren unter ihrer Mutter gelitten hatte. âFür heute sagen wir Gute Nacht. Sie haben Charlotte mal wieder die Hölle heiÃgemacht, aber das ist ja nichts Neues.â
Charlottes Mutter starrte ihn feindselig an. Sie registrierte seine
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