Sehnsucht nach Geborgenheit
„Verglichen mit dem, was für Sie und Samantha auf dem Spiel steht, sind meine Schwierigkeiten gering."
Die Anhörung sollte in zwei Wochen stattfinden. Jack bereute seine arroganten Worte von Tag zu Tag mehr und sehnte sich danach, Liz anzurufen und nach Georgetown zu fahren. Aber er wusste, dass sie ein privates Gespräch als Verstoß gegen ihre Anwaltspflichten werten würde.
Liz fühlte sich elend, als sie sich am Tag vor dem
Gerichtstermin aus dem Bett schleppte. Der Streit mit Jack war ihr offenbar auf den Magen geschlagen. Sie setzte sich in die Küche, trank einen Kaffee und kaute lustlos auf einem Toast herum, bevor sie wieder nach oben ging, um sich anzuziehen. Es war sinnlos. Im Bad kam ihr das Frühstück wieder hoch, und sie fühlte sich noch matter als zuvor.
Ausgerechnet jetzt muss ich mir eine Sommergrippe einfangen, dachte sie und legte die Hand an die Stirn. Wenigstens hatte sie kein Fieber. Sie wusch sich das Gesicht ein zweites Mal, tarnte die ungesunde Blässe mit Rouge und fuhr ins Büro.
Am nächsten Morgen war Liz schon wieder schlecht.
Vorsichtshalber verzichtete sie auf das Frühstück. Doch im Gerichtsgebäude bekam sie Hunger und gönnte sich einen Donut und Milch. Jack nach einer zweiwöchigen Trennung im Gerichtssaal zu sehen machte sie noch nervöser. Er trug einen seriösen Nadelstreifenanzug, wirkte selbstsicher, und nickte ihr ernst zu. Sie erwiderte den Gruß und setzte sich zu ihre Mandantin.
„Guten Morgen, Mr. und Mrs. Kelleher", sagte Richter Barnes lächelnd. „Wie ist es Ihnen in der Ehe ergangen?"
„Sehr gut, danke, Euer Ehren", antworteten sie gleichzeitig, und er hob eine Braue.
„Das freut mich zu hören. Haben beide Seiten keine Einwände dagegen, von zwei verheirateten Anwälten vertreten zu werden?"
Liz und Jack bestätigten es.
Der Richter nickte zufrieden. „Es ist zwar ungewöhnlich, aber schon vorgekommen. Nicht nur in dem berühmten Film mit Spencer Tracy und Katherine Hepburn ... obwohl das ein Mordfall war. Lassen Sie uns also beginnen."
Jack begann mit dem Argument, das Liz schon kannte. „Mein Mandant Todd Burroughs beantragt das Sorgerecht für seine Tochter Samantha. Er liebt sie und möchte sie selbst großziehen, da die Mutter sie nicht angemessen betreuen kann."
Liz sprang auf. „Während der beiden ersten Lebensjahre Samanthas hat Diane Erickson sich allein und durchaus angemessen um sie gekümmert, da der Vater sich erst jetzt für seine Tochter interessiert..." konterte sie.
Der Richter sah von Liz zu Jack. „Fahren Sie fort", forderte er ihn auf.
„Zugegeben, Todd Burroughs geht einer Teilzeitbeschäftigung nach. Doch auch wenn seine Arbeitszeit sich irgendwann erhöht, wird er nicht gezwungen sein, Samantha in einen Kinderhort zu geben oder einen Babysitter zu engagieren. Seine Mutter Margaret, bei der Mr. Burroughs wohnt, ist Rentnerin und bereit, sich ganztägig um ihre Enkelin zu kümmern."
Er legte eine Kunstpause ein. „Gewiss ist die Betreuung durch eine liebende Großmutter einer Lösung vorzuziehen, bei der das Kind ständig wechselnden fremden Personen ausgesetzt wird."
Dass er sich so abfällig über Kindertagesstätten äußerte, machte Liz wütend. Todd Burroughs Mutter sei Samantha ebenso fremd wie ein Babysitter oder eine Kindergärtnerin, argumentierte sie.
Das Gutachten einer Psychologin bestätige, dass Samantha bei ihrer Mutter glücklich und emotional gesund sei. Eine Trennung könne bei dem Mädchen großen Schaden anrichten.
„Meiner Auffassung nach sollte die Mutter für ihre
Anstrengungen belohnt und nicht bestraft werden", erklärte Liz.
„Todd Burroughs' plötzliches Interesse an seiner Tochter erklärt sich aus der Unterhaltsklage der Mutter und riecht nach Rache.
Dass er bisher keinen Cent zu Samanthas Unterhalt beigetragen und sich auch nicht um sie gekümmert hat, lässt keine sehr glückliche Zukunft für sie erwarten, wenn das Sorgerecht ihm zugesprochen wird."
Richter Barnes bedankte sich für ihre Ausführungen und begann die Parteien zu befragen. Während er Todd Burroughs und dessen Mutter anhörte, meldete sich Liz' Magen. Da sie befürchtete, ihr hastiges Frühstück wieder von sich geben zu müssen, unterbrach sie den Richter.
„Verzeihung, Euer Ehren, dürfen wir vortreten?"
Schulter an Schulter mit Jack, aber ohne ihn auch nur einmal anzusehen, bat sie um eine kurze Unterbrechung. „Es tut mir leid, Euer Ehren. Ich fürchte, ich leide heute morgen an einer
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