Sehnsucht nach Owitambe
ohnehin zerfurchte Stirn. »Weshalb glaubst du denn lässt er sich auf das blutige Geschäft ein? Doch nicht, weil es ihm Spaß macht.«
Jella pustete sich unwillig eine Locke aus dem Gesicht. »Das weiß ich auch. Er tut es, weil er sich uns gegenüber verpflichtet fühlt. Würde er sich weigern, würde er seine Stellung verlieren und wir unseren Lebensunterhalt. Das reibt er mir oft genug unter die Nase.«
»Macht er dir Vorwürfe wegen deiner Arbeit?«
Jella zuckte müde mit den Schultern. Ihr Rücken schmerzte und ihr Magen knurrte. Sie hatte den ganzen Tag noch keinen Bissen zu sich genommen.
»Ich weiß es auch nicht. Er beschwert sich nicht direkt, dass ich von den Menschen hier keinen Lohn verlange. Dafür verlangt er dauernd Dinge von mir, zu denen ich weder Zeit noch Lust habe.«
Salim lächelte fein. »Du meinst die gesellschaftlichen Anlässe, zu denen du ihn begleiten sollst?«
Jella stimmte zu. »Ich kann das einfach nicht«, stöhnte sie. »Dieses affige Getue und scheinheilige Gerede. Jede Minute, die ich dort verbringe, ist verlorene Zeit. Ich verstehe das nicht. Fritz war immer meiner Meinung. Doch jetzt blüht er in Gesellschaft geradezu auf, vor allem seit diese Lady Gainsworthy in der Stadt ist. In Anwesenheit dieser raffiniert berechnenden Frau komme ich mir immer wie ein ungehobelter Trampel vor.«
»Ich dagegen schätze deine gerade Art«, meinte Salim Mohan mit väterlicher Zuneigung. »Du lässt dich nie verbiegen, nicht einmal deinem Mann zuliebe. Aber ist das immer klug? Vielleicht solltet ihr endlich miteinander reden.«
»Vielleicht hast du ja recht«, gab Jella zu. »Wir hatten nach dem Thronfest einen schrecklichen Streit. Ich habe Fritz böse Dinge an den Kopf geworfen, für die ich mich jetzt schäme. Aber auch er hat mich verletzt. Seither bin ich mir nicht mehr sicher, ob er mich überhaupt noch liebt.«
»Du musst es herausfinden«, riet ihr Salim. »Je schneller, desto besser. Ich werde noch heute Nacht zu der Jagdgesellschaft aufbrechen, damit ich vor Sonnenaufgang dort bin. Der Maharana wünscht meine Anwesenheit, falls es einen Unfall geben sollte. Möchtest du nicht mitkommen? Ich kann mir vorstellen, dass Fritz es als positives Zeichen sehen würde.«
»Du meinst, ich soll den ersten Schritt machen?«, fragte Jella entsetzt. Sie wollte brüsk ablehnen. Aber dann besann sie sich. Salim Mohan hatte recht. Ihre Reaktion war damals möglicherweise wirklich etwas überzogen gewesen. Warum hatte sie sich
auch einmischen müssen? Damit hatte sie Fritz nur blamiert. Schließlich hatte er sich freiwillig bereit erklärt, das Pferderennen zu organisieren. Vielleicht würde sich ja alles wieder einrenken lassen, wenn sie ihn um Verzeihung bat? Entschlossen erhob sie sich von ihrem Laborplatz. »Ich komme mit«, meinte sie, von plötzlicher Zuversicht erfüllt. »Um wie viel Uhr holst du mich ab?«
Als Fritz erwachte, hatte er einen schrecklichen Brummschädel. In seinem Kopf hämmerte eine ganze Armee von Steinbrucharbeitern. Er hatte Mühe, die Augen zu öffnen. Wie spät mochte es sein? Hoffentlich hatte er nicht verschlafen. Es war noch dunkel. Nur eine Paraffinlampe blakte neben seinem Bett. Was zum Teufel war geschehen? Er konnte sich an nichts erinnern. Mit einem leisen Stöhnen setzte er sich auf. Neben ihm räkelte sich eine Gestalt.
»Nun, mein Held, wie geht es dir?«
Ein weißer, schlanker Arm wand sich besitzergreifend um seine nackte Brust. Fritz drehte sich erschrocken um. Neben ihm lag ebenfalls nackt Gwyneira Gainsworthy. Was war geschehen? Verdammt! Er konnte sich an nichts mehr erinnern. Nur, dass er sich gestern betrunken hatte. O Gott, Jella! Der Gedanke an seine Frau trieb ihm die Schamesröte ins Gesicht. Hatte er sie etwa betrogen?
»Haben wir …« Er räusperte sich verlegen. »Bin ich Ihnen etwa zu nahe getreten?« Eine dumme Frage in Anbetracht der Situation. Gwyneira lachte lasziv.
»Das kann man wohl sagen. Du warst zwar ziemlich betrunken, aber dein kleiner Mann stand stramm wie ein Soldat! Komm, lass es uns noch einmal tun. Es wird erst in einer Stunde hell.« Sie fasste in sein Haar und versuchte, ihn zu sich herunterzuziehen. Doch Fritz war absolut nicht dazu aufgelegt.
»Lassen Sie das!«, meinte er aufgewühlt. »Ich wollte das nicht. Es tut mir leid. Ich kann mich einfach an nichts erinnern.«
Gwyneira lachte noch einmal. »Ich werde es dir so besorgen, dass du es beim nächsten Mal nicht vergisst«, hauchte sie verführerisch.
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