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Sehnsucht nach Owitambe

Sehnsucht nach Owitambe

Titel: Sehnsucht nach Owitambe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Mennen
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überwunden. Wieder fielen ihr die abgearbeiteten Hände und das müde Aussehen auf. Es war nicht nur die Erschöpfung nach dem Überfall, sondern es waren Resignation und Leid, die diese Frau wie eine Aura umgaben. Schon bei ihrem letzten Besuch hatte sie den Verdacht gehabt, dass Nachtmahr seine Frau viel zu viel arbeiten ließ. Er verlangte von ihr, dass sie sich persönlich um alles kümmerte, obwohl sie genügend Bedienstete besaßen, die ihr einiges abnehmen konnten. War der Baron denn blind, dass er nicht sah, wie sehr er seine Frau überforderte? Jella fiel erst jetzt auf, dass sie den Baron den ganzen Tag über nicht gesehen hatte.

    »Wo ist Ihr Mann eigentlich?«, fragte sie verwundert. »Ich habe ihn überhaupt nicht gesehen.«
    »Er ist schon seit Tagen mit seinen Männern unterwegs. Er geht und kommt, wie er will«, sagte Isabella leise. Ihre Finger verhakten sich nervös ineinander. »Wahrscheinlich ist er wieder auf der Jagd. Er ist ganz besessen davon.«
    »Heißt das, dass Sie und die Kinder ganz allein auf sich gestellt waren? Das ist ja schrecklich!«
    Isabella sah sie aus müden Augen an. »Die Herero hatten es nur auf Rüdiger abgesehen. Sie hassen ihn, weil er sie wie Dreck behandelt. Neulich hat er einem von ihnen einfach seine Rinder weggenommen, nur weil der Mann mit den Tieren über ein Stück seines Landes gezogen war. Als der Herero sie zurückforderte, ließ er ihn von seinen Orlam verprügeln. Mich wundert nur, dass sie nicht schon viel früher gekommen sind. Als sie sahen, dass er nicht da war, brannten sie die Scheunen und Ställe nieder und trieben die Rinder fort, die auf Hakoma waren. Die Orlam versuchten sie daran zu hindern. Aber die Herero waren in der Überzahl.«
    »Und ihr Sohn?«
    Isabella verzog mitleidig das Gesicht. »Achim hatte sich in seinem Zimmer verkrochen. Er hatte Angst und keine Ahnung, was er tun sollte. Erst als die kleine Sonja ins Zimmer kam, besann er sich auf seine Beschützerpflichten und holte sein Gewehr. Damit ging er ans Fenster und begann wild zu ballern. Ich versuchte ihn noch davon abzuhalten, denn er hätte genauso gut einen von unseren Männern treffen können. Aber dann bekam er diesen Querschläger ab und wurde zum Glück außer Gefecht gesetzt.«
    »Oh!« Mehr konnte Jella nicht dazu sagen.
    »Wenn sein Vater das mitbekommt, wird es für ihn noch schwerer«, seufzte Isabella.
    »Warum lassen Sie sich das alles gefallen?«, wollte Jella wissen.
»Sie sind angeschlagen und arbeiten trotzdem viel zu hart. Wenn Sie so weitermachen, werden Sie eines Tages zusammenbrechen und nicht mehr aufstehen. Haben Ihnen meine Tropfen wenigstens geholfen?«
    Isabella wich aus. »Danke, es geht mir viel besser«, behauptete sie. Jella war klar, dass sie log. Sie ahnte, dass Nachtmahr nicht bereit war, Geld für neue Medikamente auszugeben.
    »Die Medizin hilft nur, wenn sie sie regelmäßig einnehmen«, sagte sie eindringlich. »Ich kann Ihnen gern noch mehr davon hierlassen.«
    Isabella wehrte ab. Doch Jella griff in ihre Tasche und stellte ein Fläschchen mit einer braunen Flüssigkeit auf den Tisch.
    »Nehmen Sie das. Das wird ihre angegriffene Leber stärken. Es ist ein pflanzliches Mittel aus Artischocken, Disteln und Schwarzkümmel. Ich stelle es selbst in meinem Labor her und schenke es Ihnen. Sie müssen mir allerdings versprechen, es regelmäßig zu nehmen.«
    »Sie sind sehr freundlich.«
    »Sie müssen sich schonen«, drang Jella weiter in die Frau. »Denken Sie wenigstens an Ihre Kinder.«
    Isabella lachte hart. »Die Kinder, vor allem Sonja, sind der einzige Grund, warum ich das alles hier noch durchstehe.« Ihre tiefblauen Augen blickten sie dieses Mal offen an. »Ich hasse Hakoma. Ich hasse Afrika«, sagte sie aus tiefstem Herzen. »Und ich wünschte, ich wäre nie einverstanden gewesen, Rüdiger hierher zu folgen.«
    Jella war überrascht über die plötzliche Offenheit. Sie spürte, dass die arme Frau etwas loswerden wollte, was sie schon lange bedrückte.
    »Ich habe diesen Mann gegen den Willen meiner Eltern geliebt. Er war mittellos, noch dazu ein Arbeitersohn. Ein Fauxpas, der sich für eine Adlige nicht gehörte. Doch das war mir egal. Rüdiger war äußerst charmant und hatte gute Manieren.
Er war älter, gut aussehend und machte mir vollendet den Hof. Er gab mir das Gefühl, etwas Besonderes zu sein. Damals war ich jung und verliebt und habe seinen Avancen geglaubt. Ha!« Noch einmal lachte sie bitter auf. »Es kam, wie es kommen musste.

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