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Sehnsucht nach Owitambe

Sehnsucht nach Owitambe

Titel: Sehnsucht nach Owitambe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Mennen
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verschwieg dabei auch nicht, dass er sich geweigert hatte, Nachtmahr die Herero zu übergeben. Der Major hörte ihm zu, sah aber dabei aus dem Fenster. Seine schlanken Finger spielten nervös mit dem Füllfederhalter auf seinem Tisch. Inwieweit er Fritz’ Darstellungen Glauben schenkte, ließ er sich nicht anmerken.
    »Sie kannten also die Herero, die sie aufgegabelt haben?«, fragte er, als Fritz zu Ende war. Er wandte sich ihm wieder zu.
    »Ja«, gab Fritz zu. »Es waren Leute, die in der Nähe von Owitambe leben. Eine der Frauen war bei uns tatsächlich Köchin.«
    »Liegt es da nicht nahe, dass Sie die Frau retten wollten?« Die Stimme des Majors hatte nun etwas Lauerndes. Fritz entschloss sich dennoch, ehrlich zu bleiben. Vielleicht konnte das den Offizier am besten überzeugen.
    »Ich wollte die Menschen zurück in ihre Heimat bringen. Der Krieg gegen die Herero ist doch vorüber.«
    »Sehen Sie«, keifte Nachtmahr triumphierend. »Das beweist eindeutig, dass er ein Kollaborateur ist. Wer weiß, vielleicht stand er während des Aufstands sogar auf ihrer Seite. Allein, dass er von Krieg spricht und nicht von einem Aufstand, zeigt doch, auf welcher Seite er steht!«

    »Ich stehe auf keiner von beiden Seiten«, sagte Fritz ungehalten. »Ich bin überzeugter Pazifist. Für mich sind alle Menschen gleich. Jeder hat das Recht auf ein menschenwürdiges Leben.«
    »Wollen Sie damit sagen, dass ein Neger so viel wert ist wie ein Weißer?« Der Major hob missbilligend eine Augenbraue. »Damit begeben Sie sich auf ein gefährliches Terrain.«
    »Der Unterschied zwischen hellhäutigen und dunkelhäutigen Menschen besteht allein in ihrer Hautfarbe«, sagte Fritz ruhig. »Mag sein, dass die Afrikaner andere Lebensgewohnheiten und einen anderen Glauben haben als wir, aber deswegen sind sie nicht weniger wert.«
    »Ihre Einstellung zeigt mir, dass Sie zumindest mit den Aufständischen sympathisieren.«
    »Ich sehe sie als Menschen. Ist das ein Fehler?«
    »Die Menschen, denen Sie geholfen haben, sind Verbrecher. Sie sind in Deutsch-Südwest nicht länger erwünscht und werden interniert. Sie haben sich dagegen widersetzt.«
    »Er muss gehängt werden«, mischte sich Nachtmahr ungefragt ein. »Gemeinsam mit dem Hereropack.«
    Der Blick des Majors wanderte unschlüssig von Nachtmahr zu dem Angeklagten. Offensichtlich befand er sich in einer Zwickmühle. Auf der einen Seite hielt er Fritz’ Version von Achims Tod für durchaus plausibel. Nachtmahr war auch in der Truppe wegen seines aufbrausenden und herrschsüchtigen Charakters nicht unumstritten. Es war ihm durchaus zuzutrauen, dass er seine Leute unter Druck gesetzt hatte. Auf der anderen Seite hatte Fritz gerade unverhohlen zugegeben, gegen das Kriegsrecht verstoßen zu haben.
    »Hier wird niemand gehängt«, meinte er schließlich nach längerem Nachdenken. »Allerdings kann ich die zugegebene Fluchthilfe nicht einfach unter den Tisch kehren.«
    »Ich bestehe darauf, dass dieser Kerl hingerichtet wird«, empörte sich Nachtmahr.

    »Halten Sie den Mund«, wies der Major ihn scharf zurecht. »Sie sind nicht befugt, sich in meine Angelegenheiten zu mischen, Herr Leutnant.«
    Nachtmahr nahm zähneknirschend Haltung an. Der Major wandte sich nun an Fritz.
    »Sie haben sich soeben eindeutig als Verräter an der deutschen Sache ausgewiesen. Damit sind sie als Kollaborateur überführt.«
    »Ich habe mich nie …«
    »Schweigen Sie!« Der Offizier hatte sein Urteil gefällt. Nun wollte er die Sache so schnell wie möglich zu Ende bringen.
    »Sie haben mit den Aufständischen gemeinsame Sache gemacht, deshalb werden wir Sie auch genauso behandeln wie sie. Morgen geht ein Trupp los in das Konzentrationslager nach Lüderitz. Sie werden den Zug begleiten. Wenn Ihnen das Schicksal dieser Wilden so sehr am Herzen liegt, können Sie auch ihr Schicksal teilen. Sollen sich meine Kollegen im Süden doch mit Ihnen herumschlagen.«
    Fritz traute seinen Ohren nicht. Der Major wollte ihn tatsächlich deportieren. Allein bei der Vorstellung drehte sich ihm der Magen um. Er wusste noch aus der Zeit der Burenkriege, wie es in solchen Lagern zuging. Auf keinen Fall würde er sich wehrlos fügen. Im Bruchteil einer Sekunde überschlug er seine Fluchtchancen. Sie waren zu fünft in dem Raum. Nachtmahr, der Major, zwei Soldaten und er. Das Fenster in den Hof stand offen. Er musste den Augenblick der Überraschung nutzen. Mit einem kräftigen Ellenbogenschlag knockte er den neben ihm stehenden

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