Sehnsucht nach Riga: Roman (German Edition)
Grund für die Verärgerung finden. Der Tisch war reichlich gedeckt, der Wein floss, und die Unterhaltung plätscherte fröhlich und freundlich zwischen den einzelnen Lesungen aus der Haggada dahin.
Als die Hausmädchen die Tafel abräumten, verzogen sich die Männer mit Cognac und Zigarren in Davids Arbeitszimmer, und die Frauen blieben mit Zigaretten und Likören im Salon unter sich. Malu nahm ihren Mut zusammen und sprach Birute an.
»Ist alles zu Ihrer Zufriedenheit?«, fragte sie.
Wieder erntete sie einen verärgerten Blick. Birute sah sogar zu einer Freundin hinüber, die Malu ebenfalls kannte. Und auch diese, Valerija, zeigte einen missmutigen Gesichtsausdruck.
»Es ist schön zu sehen, in welcher Pracht Sie leben«, sagte Birute mit bitterem Unterton.
»Danke«, erwiderte Malu. »Warum habe ich dann den Eindruck, dass Sie ärgerlich sind?«
Birute zuckte mit den Schultern. Valerija stand auf und gesellte sich zu den beiden. Die anderen Frauen unterbrachen ihre Gespräche.
»Ärgerlich, das ist doch nur ein Wort«, versetzte Birute.
Valerija nickte, fasste nach Malus Kleid und erklärte: »Ein guter Stoff, ein guter Schnitt, beste Qualität. Für die eigenen ist nur das Beste gut genug.«
Malu wurde unsicher. »Ich verstehe noch immer nicht, was Sie meinen.«
Birute hielt ihr einen Ärmel hin. »Hier, fassen Sie einmal an, und dann sagen Sie mir, wie viel Wert dieses Kleid in Ihren Augen hat.«
Malu schluckte. Was sollte das? Trotzdem fasste sie nach dem Stoff, rieb ihn zwischen den Fingern und zupfte sogar einen losen Faden weg. »Die Farbe steht Ihnen gut. Das Blau spiegelt sich in Ihren Augen wider. Das beweist Ihren guten Geschmack.«
»Mag sein«, erwiderte Birute. »Ich habe aber gefragt, wie viel Geld Sie für ebendieses Kleid ausgeben würden?«
Malu trat zurück und trank verlegen einen Schluck aus ihrem Glas. Was sollte sie sagen? Der Stoff knitterte schon, wenn man ihn nur ansah. Die Nähte waren nicht ordentlich genäht, der Schnitt nicht akkurat ausgeführt. Keine zehn Rubel würde Malu für dieses Kleid bezahlen. Doch das konnte sie unmöglich sagen. Birute wäre zu Recht gekränkt. »Ich hätte dieses Kleid sicher nicht gekauft. Mir steht der Schnitt nicht«, antwortete Malu schließlich ausweichend.
»Dieser Schnitt steht keiner Frau«, erwiderte Birute. »Der Stoff ist von minderer Qualität, die Knöpfe springen ab, wenn man sie nur berührt.«
Malu schwieg.
»Wissen Sie, wie viel Geld ich dafür ausgegeben habe?«
Malu schüttelte den Kopf.
»Achtzig Rubel. Achtzig Rubel, hören Sie?«
»Nun.« Malu versuchte erneut ein Lächeln. »Das erscheint mir in der Tat zu teuer.«
»Das ist es auch. Und ob es das ist!« Der Ärger brachte Birutes Augen zum Funkeln. »Wie würden Sie jemanden nennen, der ein solches Kleid zu einem solchen Preis verkauft?«
Wieder suchte Malu nach einer Antwort. Valerija kam ihr zu Hilfe.
»Ich würde denjenigen einen Betrüger schimpfen«, erklärte sie und lüpfte an ihrem Kleid den Saum, sodass man sehen konnte, wie dieser an manchen Stellen aufging.
Malu zuckte mit den Schultern. »Sie haben sicher recht. Es ist ärgerlich, wenn ein Stück seinen Preis nicht wert ist.«
Birute nickte. »Und noch ärgerlicher ist es, wenn sich derjenige nicht einmal dafür schämt, sondern mit seinem Reichtum Hof hält.«
Malu wollte wieder nicken, doch mit einem Mal fühlte sie sich, als würde sie angegriffen. Sie schüttelte den Kopf. »Das Kleid haben Sie nicht bei mir gekauft. Das ist nicht möglich. Ich kenne alle meine Kleider. Und ich verbürge mich persönlich für die Qualität.«
Birute trat dicht an Malu heran. »Ach? Wirklich? Und warum steht dann Ihr Name als Markenzeichen in meinem Kleid?«
»Was?« Malu riss die Augen auf. »Das kann nicht sein. Wie ich schon sagte, kenne ich alle meine Kleider. Nicht einmal der Entwurf ist von mir. Er ist nur einem sehr ähnlich, der in einem alten Entwurfsbuch von mir gezeichnet war. Aber dieses Buch ist mir schon vor Jahren in Berlin abhandengekommen.«
»Sie glauben mir also nicht?« Birute sog scharf die Luft ein.
»Ich habe keinen Grund, an Ihrer Ehrlichkeit zu zweifeln. Es muss sich hier um ein Versehen handeln.«
Auch zwei der anderen Frauen waren jetzt aufgestanden. Eine riss an ihrem Kragen und öffnete die beiden oberen Knöpfe. »Hier, sind diese Kleider von Ihnen?«
Malu wich zurück. »Nein, nein. Ich kenne diese Kleider nicht, habe sie nie gesehen.«
Die Frau zog Malu am Ärmel dicht zu
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