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Sehnsucht nach Riga: Roman (German Edition)

Sehnsucht nach Riga: Roman (German Edition)

Titel: Sehnsucht nach Riga: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Winter
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wissenschaftliche Aussage. Wissen Sie, ich arbeite seit zwölf Jahren in dieser Klinik, seit zwanzig Jahren mit Menschen, die einen kranken Geist oder eine kranke Seele haben. Vielen konnte ich helfen, aber einigen ist nicht zu helfen. Ich nenne sie ›die grauen Seelen‹. Im Grunde verweigern die grauen Seelen das Leben, es erscheint ihnen zu schwierig, und deshalb kann man ihnen nicht helfen. Die meisten von ihnen sterben vor der Zeit. Es tut mir leid, Ihnen das sagen zu müssen.« Der Arzt erhob sich. »Ich muss weiter. Die Arbeit ruft. Wie immer Sie sich entscheiden, bedenken Sie dabei, dass es nicht Ihre Schuld ist.«
    Mit diesen Worten ging er weg.
    Malu wunderte sich. »Was hat er gesagt? Nicht meine Schuld? Wie hat er das gemeint?«
    Isabel nahm erneut Malus Hand und streichelte sanft darüber. »Constanze ist der Ansicht, dass du ihr alles genommen hast. Du hast sie nach Berlin gebracht, hast sie in die Sucht getrieben und hast ihr das Kind weggenommen.«
    »Ach!« Malu spürte, wie der Ärger in ihr hochkam. »Habe ich sie auch geschwängert?«
    »Sie sieht die Welt nicht, wie sie ist. Sie sieht nur, was sie sehen will. Du weißt, dass sie nicht in der Lage ist, Verantwortung für sich zu übernehmen. Das hat sich nicht geändert. Sie braucht jemanden, dem sie die Schuld für ihr verpfuschtes Leben in die Schuhe schieben kann. Und derjenige bist du.«
    Malu riss die Augen auf. Sie öffnete den Mund, wollte etwas sagen, doch ihr fehlten die Worte.
    »Wir alle wissen, dass du keinerlei Schuld an dem hast, was Constanze passiert ist. Sie ist erwachsen, niemand hat sie je zu irgendetwas gezwungen. Aber sie sieht die Dinge mit ihrem Blick. Willst du sie trotzdem sehen?«
    Malu biss die Zähne zusammen und nickte. »Ja, das will ich.«
    »Sie ist im Garten, in dem kleinen Pavillon.«
    »Woher weißt du das?«
    »Sie ist um diese Zeit immer dort.«
    Malu schritt zögernd durch den Garten. Sie hatte Angst. Eine unglaubliche Angst sogar. Schon einmal hatte sie über Jahre hinweg geglaubt, am Schicksal eines anderen Menschen schuld zu sein. Sollte sich das jetzt wiederholen?
    »Da ist sie.« Isabel zeigte auf eine magere Frau im hellen Kleid. »Willst du allein sein mit ihr?«
    Malu schüttelte den Kopf. »Vielleicht regt sie sich auf. Es ist besser, wenn jemand dabei ist, der sie beruhigen kann.«
    Einmal noch atmete sie tief ein und aus, dann betrat sie den Pavillon und rief leise Constanzes Namen.
    Constanze sah hoch. In ihrem Blick fehlte jede Überraschung. »Ach, du bist es nur«, sagte sie, als lägen zwischen ihrer letzten Begegnung nicht Jahre, sondern höchstens Tage.
    Malu erschrak. Constanzes Gesicht war um Jahre gealtert. Scharfe Falten zogen sich von der Nase bis zum Mund. Ihre Lippen waren schmal geworden, die Augen hielt sie misstrauisch zusammengekniffen. In ihrem wundervollen Haar waren erste graue Strähnen zu erkennen.
    Vorsichtig trat Malu zu ihr und setzte sich auf den Stuhl neben Constanze. »Wie geht es dir?«, fragte sie leise.
    Constanze schaute sie mit leerem Blick an. »Wie soll es mir schon gehen?«, fragte sie. »Mir geht es, wie du es dir immer gewünscht hast.«
    Malu schluckte. »Ich habe mir für dich immer nur das Beste gewünscht.«
    Constanze lachte böse auf. Sie deutete mit dem Finger auf Malu. »Du warst neidisch auf mich. Schon immer. Du wolltest mich zerstören. Schon immer. Alles hast du mir genommen. Die Heimat, den Mann, das Kind, sogar den Namen.«
    Malu seufzte. Sie wusste nicht, was sie auf die Vorwürfe erwidern sollte. Deshalb fragte sie: »Von welchem Mann sprichst du?«
    »Das fragst du noch? Von Ruppert spreche ich. Wir haben uns geliebt. Ja, das haben wir. Oh, es war eine große Liebe. Sie strahlte heller als alle Sterne am Himmel. Du hast uns diese Liebe nicht gegönnt, hast durch deine Intrigen die Sterne zum Verlöschen gebracht.«
    »Nein, das habe ich nicht.« Malus Versuch, sich zu rechtfertigen, war kläglich. »Ich wusste nicht einmal, dass ihr jemals offiziell ein Paar gewesen seid.«
    Constanzes Kopf ruckte vor. »Das durften wir ja auch nicht. Wir mussten uns verbergen vor dir. Weil wir schon wussten, dass du die Sterne auslöschen würdest.«
    Malu schwieg. Sie sah in Constanzes Augen so viel Hass, dass es ihr die Worte verschlug. Erst nach einer Weile fragte sie vorsichtig. »Was wirst du jetzt tun, Constanze?«
    Die Freundin verzog verächtlich den Mund. »Was soll ich schon tun? Nichts. Ich kann nämlich nichts tun. Du musst bestraft werden. Aber

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