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Sehnsucht nach Riga: Roman (German Edition)

Sehnsucht nach Riga: Roman (German Edition)

Titel: Sehnsucht nach Riga: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Winter
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einen Walzer. Sehnsüchtig und zugleich erleichtert sah sie zu den hell erleuchteten Fenstern des Ballsaals.
    »Darf ich um diesen Tanz bitten?«
    Malu fuhr herum. Hinter ihr stand Johann. Er trug seinen besten Anzug und reichte ihr einen kleinen Strauß Maiglöckchen.
    Ein Lächeln erblühte auf Malus Gesicht.
    Sie fragte nicht, wie Johann hierhergekommen war, sie wusste nur, dass sie mit ihm in dieser Mainacht nach Walzerklängen auf dem taunassen Gras tanzen wollte. Sie lehnte sich in seinen Arm, sog seinen Duft nach Wiese ein und blickte in sein Gesicht, das im Mondlicht wie mit Silber übergossen aussah. Wie schön er war! Seine Gesichtszüge waren wohlproportioniert, seine Haare hatten den perfekten Fall, und die Augen glitzerten wie Strasssteine. »Du bist schön«, sagte sie leise.
    Johann lachte, während er sie nach rechts schwang. »Aus dir wird nie eine junge Dame der feinen Gesellschaft«, flüsterte er ihr ins Ohr.
    »Ich weiß«, erwiderte Malu.
    »Und weißt du auch, warum?«
    »Nein«, antwortete sie. »Weißt du es denn?«
    »Weil eine junge Frau deines Standes niemals einem Mann ein Kompliment über dessen Aussehen machen darf. Das ist das Vorrecht der Männer. Ich muss dir sagen, wie schön du bist. Das heißt, falls du mich dazu kommen lässt.«
    Malu warf den Kopf in den Nacken und lachte. Jetzt war sie glücklich. Jetzt war alles so, wie es sein sollte. Sie brauchte keine Bälle und keine Tanzkärtchen. Sie brauchte nicht die taxierenden Blicke vom Drachenfelsen, und sie brauchte auch nicht die Hilflosigkeit der pickligen jungen Männer. Sie brauchte allein Johann, der mit ihr auf der nächtlichen Wiese tanzte.
    »Ich höre«, sagte sie gespielt kühl.
    »Also, mein gnädiges Fräulein, ich bewundere Ihre Augen. Sie sind wie Sonnenflecke auf einem Teich. Ihre Haut, Gnädigste, fühlt sich so glatt an wie reifes Gemüse. Und Ihr Haar, Mademoiselle, ist so weich, wie ich es nie gefühlt habe. Wäre ich ein Vogel, ich würde mir ein Nest darin bauen und dieses niemals mehr verlassen.«
    »Du bist verrückt!« Malu kicherte und schmiegte sich glücklich in Johanns Arme.
    Plötzlich hörten sie Stimmen. Johann ließ Malu los, lauschte in die Dunkelheit.
    »Du bist so lecker wie ein Marzipanschweinchen. Ich könnte glatt in dich hineinbeißen«, hörten sie mit einem Mal Rupperts Stimme.
    »Komm!« Johann zog Malu hinter einen Busch.
    Schon kamen Ruppert und Constanze hinter einer Wegbiegung zum Vorschein. Ruppert hatte den Arm um Constanzes Schulter gelegt und zog sie an sich, im Gehen küsste er ihren Hals.
    Constanzes Haar war in Unordnung geraten. Ihre Wangen glänzten rot, doch in ihren Augen stand ein Ausdruck, der nicht von Freude zeugte. »Du hast gesagt, ich soll mich nur ein wenig abkühlen, weil rote Wangen nicht damenhaft sind. Jetzt wird mir kalt. Also lass uns bitte wieder hineingehen.«
    Ruppert kniff ihr in die rechte Wange. »Nein, mein Herz, du glühst noch immer. So, wie du jetzt ausschaust, wird dich jeder für die Wäschemagd halten. Du willst doch die Zehlendorfs nicht ins Gerede bringen, oder?«
    »Natürlich nicht.« Constanze war stehen geblieben und sah zu Boden. Malu wusste, dass die Schamesröte ihre Wangen noch dunkler gefärbt hatte.
    Ruppert drückte Constanzes Kinn nach oben, sodass sie ihm in die Augen blicken musste. »Oder langweilst du dich etwa mit mir? Willst du deshalb wieder hinein?«
    Constanze schluckte. Malu und Johann waren hinter dem Strauch nur wenige Meter von den beiden entfernt, sahen jedes Zucken im Gesicht, hörten jedes Wort.
    »Nein, natürlich langweile ich mich nicht mit dir«, sagte Constanze leise. »Trotzdem möchte ich wieder hinein. Mir ist einfach kalt.«
    »Dann weiß ich ein Mittel, das dir einheizen wird«, verkündete Ruppert selbstbewusst und presste seine Lippen hart auf Constanzes Mund.
    Sie wollte zurückweichen, doch Ruppert hatte ihr eine Hand auf den Hinterkopf gelegt, sodass sie seinen rohen Kuss erdulden musste. Doch schon im nächsten Moment riss sie den Kopf zur Seite und befreite so ihren Mund. »Lass mich los!«
    Sie stemmte die Hände gegen seine Brust und stieß ihn mit aller Kraft von sich. Dann holte sie aus, um ihm eine Ohrfeige zu verpassen, doch Ruppert fing ihre Hand ab, bevor sie ihn traf.
    »So nicht, meine Liebe. Nicht so und nicht mit mir«, zischte er. »Hast du vergessen, wer du bist? Du wohnst auf meinem Land, dein Vater wird von uns bezahlt. Du gehörst mir. Und wenn ich einen Kuss von dir will, so ist das

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