Sehnsucht nach Riga: Roman (German Edition)
ein richtiges Paar.«
Malu biss sich auf die Unterlippe. Wusste Constanze wirklich nicht, was Ruppert tat, wenn er in Riga oder Mitau war? Hatte sie noch nie die Mägde reden hören? Ahnte sie wirklich nicht, dass er eine nach der anderen ins Heu warf und ihnen das Herz brach?
»Er ist dir nicht treu«, wandte sie ein.
»Na und? Kein Mann ist treu. Von unseren Vätern einmal abgesehen. Wir sind eine andere Generation; wir wissen, dass die Männer Abwechslung brauchen. Und schließlich kommt er ja immer wieder zu mir zurück.«
Malu seufzte. »Er behandelt dich schlecht.«
Constanze zog die Augenbrauen nach oben. »Findest du?«
Malu nickte.
»Nun, dann lass dir gesagt sein, dass dies ein Zeichen seiner echten Liebe zu mir ist. Bei mir kann er sein, wie er wirklich ist. Er muss kein starker Gutsbesitzer sein, er muss sich nicht an eure Konventionen halten; er kann sein, wie es ihm ums Herz ist. Ich liebe ihn auch, wenn er schlechte Laune hat. Ich liebe sein Wesen, sein Inneres.«
Von da an hörte Malu auf, Constanze vor Ruppert zu warnen. Sie begriff, dass die Freundin Ruppert nicht sah, wie er war, sondern so, wie sie es sich wünschte. Es tat Malu jedes Mal weh, wenn Constanze mit verweinten Augen herumlief, aber ihr war klar, dass sie ihr nicht helfen konnte.
Sie selbst hatte sich den Wünschen, nein, den Anweisungen der Mutter gebeugt und war ein paarmal mit jungen Männern der Gegend ausgegangen. Einmal hatte ein Anwalt, der frisch von der Universität Riga gekommen war, ihr den Hof gemacht. Sie waren einige Male zusammen in Mitau zum Essen gegangen, aber der Mann hatte die ganze Zeit nur von sich erzählt, und Malu hatte sich über die Maßen gelangweilt. Einmal hatte er sogar einen Ring dabei, doch als er das Schmuckkästchen aus der Tasche zog und beim Kellner Champagner orderte, gebot ihm Malu Einhalt.
»Ich kann dich nicht heiraten«, erklärte sie ihm.
Der Rechtsanwalt stotterte: »Wa-was? Warum nicht?«
Malu legte ihm eine Hand auf den Unterarm. »Wir würden nicht glücklich werden miteinander.«
Der Mann verstand sie nicht. »Warum nicht?«
»Weil ich andere Vorstellungen vom Leben habe.«
»Was? Was für Vorstellungen denn? Heirat, Kinder. Ich arbeite in der Kanzlei, und du sorgst für ein gemütliches Heim. Alle halten es so.«
Malu lächelte. »Siehst du, und genau das möchte ich nicht. Ich möchte nähen, möchte Kleider entwerfen. Am allerliebsten aber ginge ich nach Paris zu Poiret, dem Kleidermacher, und ließe mich von ihm unterrichten. Und wenn ich eines Tages doch einmal heiraten sollte, dann nur einen Mann, den ich auch liebe.«
Bei diesen Worten griff der Anwalt nach der Schmuckschachtel und steckte sie zurück in seine Tasche. Er trank den Champagner in einem Zuge aus, verlangte die Rechnung und bestellte für Malu eine Mietkutsche.
Doch der wahre Grund für Malus Weigerung zu heiraten war der, dass sie bereits liebte. Tief und aus ganzem Herzen. Johann war ihr bester Freund, ihr Geliebter, ihr Vertrauter, die Familie, die sie nie so recht besessen hatte. Johann war all das, was ein Mensch für einen anderen bedeuten konnte. Aber Johann war nicht von Stand, eine Ehe zwar möglich, aber weder von Johanns noch von ihren Eltern gewollt. Und eine Ehe, wie sie ihren Eltern vorschwebte, wollte Malu nicht. Aufgrund ihrer Liebe machte es ihr auch überhaupt nichts aus, dass Johann sich mittlerweile Janis nannte, die lettische Form seines Namens. Er war Lette geworden mit Haut und Haaren. Das Deutschtum hatte er abgelegt, und Malu konnte dies verstehen. Was hatte er mit einem Deutschen gemein? Hier, in Lettland, wo die Deutschen die Besitzer waren, die Gutsherren und Advokaten und Ärzte. Er war nur ein Pfarrerssohn, der nicht in die Fußstapfen seines Vaters getreten war, sondern als Bauer, als Landwirt arbeitete. Und diesen Beruf übten in ihrer Region nur Letten aus.
Janis war nach dem Abitur nach Vilnius gegangen und hatte dort Landwirtschaft studiert. Mittlerweile verwaltete er ein kleines Gut, das einem Deutschen gehörte, den es zurück in die Heimat getrieben hatte. Doch er war auf diesem winzigen Gut, einem Hof eher, nicht nur der Verwalter, sondern auch der Förster, der Obermelker, das Milchmädchen und die Hofmeisterin in einer Person. Er wohnte in einem winzigen Verwalterhäuschen mit grünen Fensterläden und einer weiß gestrichenen Bank hinter dem Haus.
Sobald sich Cäcilie von Zehlendorf am Abend in ihre Gemächer begeben hatte, bürstete sich Malu das Haar und
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