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Sehnsucht nach Riga: Roman (German Edition)

Sehnsucht nach Riga: Roman (German Edition)

Titel: Sehnsucht nach Riga: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Winter
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deren Taille und versuchte, sie zu Boden zu reißen. Doch die Gegnerin hieb ihrer Kontrahentin mit einem kräftigen Tritt die Füße weg, sodass diese stürzte und die andere auf ihr zu liegen kam. Die obere riss am Trikot der Gegnerin, und deren Brüste quollen heraus wie Hefe. Die Menge johlte, grölte und klatschte.
    Ruppert leckte sich die Lippen, beugte sich zu dem schlesischen Fabrikanten hinüber und flüsterte unüberhörbar: »So eine im Bett und du hörst die Glocken von Jericho zum Jüngsten Gericht rufen.«
    Der Fabrikant grinste. »Wenn sie dich nicht vorher schon mit ihren Glocken erschlagen hat.«
    Malu schüttelte den Kopf. Wie lüstern ihr Bruder war! Geradezu eklig! Sie sah, dass Isabel ihn noch immer beobachtete und dabei ein seltsames Lächeln auf den Lippen trug. Was hatte sie vor? Wollte sie sich wegen der Sache mit Anita rächen?
    Malu lehnte sich zurück, betrachtete mit Widerwillen den weiteren Kampf, bis schließlich eine der Frauen am Boden lag und nicht mehr aufstehen konnte. Die Menge buhte, weil für sie das Schauspiel ein viel zu rasches Ende gefunden hatte. Malu hatte keinerlei Mitleid mit diesen Kreaturen, wie sie im Stillen die beiden Ringkämpferinnen bezeichnete. Für sie waren Frauen die Hüterinnen der Schönheit, der Klugheit und der Weisheit. Doch diese Weiber da oben waren nichts als Kampfmaschinen, ihre Bewegungen ohne Anmut, ihr Schnauben misstönend.
    Der Conferencier schlug wieder einen Gong, trat beschwingten Schrittes auf die Bühne und zog die beiden Kämpferinnen zurück auf die Beine. Dann riss er den Arm der einen hoch. Beifall brandete auf. Ruppert steckte vier Finger in den Mund, um gellend zu pfeifen.
    Dann verkündete der Conferencier: »Verehrtes Publikum! Nach hartem, fairem Kampf hat Olga, die Unerbittliche, Rosa, das Walross, besiegt.«
    Wieder pfiffen die meisten Männer. Sie klatschten, johlten und ergingen sich in Anzüglichkeiten.
    Malu sah, dass Ruppert sich prächtig amüsierte, während Constanze peinlich berührt dreinschaute.
    Die Frauen gingen von der Bühne, und der Conferencier winkte ihnen nach, dann verkündete er: »Hochverehrtes Publikum, nach diesem spannenden Kampf, der uns den Atem stocken ließ, kommen wir nun zum nächsten Höhepunkt! Die Siegerin Olga wird sogleich unerbittlich gegen einen Herrn aus dem Publikum antreten. Klatschen Sie bitte, so laut Sie können, denn das Klatschen wird möglicherweise eines der letzten Geräusche sein, das unser Mann noch mit gesunden Ohren hören kann.«
    Ruppert zündete sich eine neue Zigarette an und lehnte sich bequem zurück, entschlossen, das kommende Spektakel zu genießen. »In der Haut des armen Kerls möchte ich bei Gott nicht stecken. Wenn schon ein Ringkampf mit einer Dame, dann sicher nicht auf den Brettern, die die Welt bedeuten.« Er lachte und stieß den schlesischen Fabrikanten leicht mit dem Arm an. Dann winkte er den Kellner herbei und bestellte eine neue Flasche Champagner. Den Damen bot er Zigaretten an und nahm eine Handvoll Erdnüsse aus einem Schälchen auf dem Tisch. Er wirkte entspannt und gab sich so, als wäre er schon zum hundertsten Male in einem solchen Varieté.
    Malu begriff auf der Stelle, was Isabel von Ruhlow vor dem Auftritt hinter der Bühne getan hatte, und lächelte. Sie hoffte aus ganzem Herzen, dass Olga, die Unerbittliche, dem Herrn aus dem Publikum mal so richtig den Hintern versohlte.
    Schon näherte sich der Mund des Conferenciers dem Mikrophon, und er verkündete mit lauter Stimme: »Ich bitte Ruppert von Zehlendorf nun hinter die Bühne, um in den Kampfanzug zu steigen.«
    Auf der Stelle wandten sich alle Köpfe Ruppert zu, zuerst die der Tischgenossen, danach die aller anderen Varietébesucher. Ein paar Mädchen, bei denen man nicht genau erkennen konnte, ob sie in dem Etablissement angestellt waren, klatschten in die Hände und riefen Rupperts Namen im Chor.
    Der Fabrikant glotzte halb hämisch, halb neidisch auf Ruppert und erklärte in einem gemütlichen Tonfall: »Wenn Sie gewinnen, mein lieber Freund, dann schmeiße ich so viel Champagner, dass wir hier auf allen vieren herauskriechen müssen. Aber Obacht! Gegen Olga hat schon lange keiner mehr gewonnen. Den Letzten haben sie nach nur dreißig Sekunden von der Bühne getragen!«
    »Aber …« Ruppert riss den Mund auf und glotzte dämlich vor sich hin.
    Constanze aber brach in Gelächter aus, verschluckte sich und musste einen Schluck Champagner trinken. Sie beruhigte sich erst wieder, als Ruppert

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