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Sehnsucht nach Riga: Roman (German Edition)

Sehnsucht nach Riga: Roman (German Edition)

Titel: Sehnsucht nach Riga: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Winter
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Kleider später gern verkauften. Das war etwas ganz anderes als bei den Damen im Tennisclub.
    Sie spürte ein flatterndes Gefühl in ihrem Magen und musste alle Konzentration aufbieten, um ihre Hände einigermaßen ruhig zu halten.
    Malu ließ sich Zeit bei der Auswahl der Frau, die ihre Kleider vorführen sollte, betrachtete genau die Gesichter und Figuren der Anwesenden und entschied sich dann für ein sehr junges Mädchen mit ausdrucksvollen Augen und großem Mund, das gemeinhin nicht als Schönheit gelten konnte, aber für die Präsentation von Malus Kleidern perfekt war.
    Sie half dem Mädchen beim Anziehen, und dann begann die Modenschau. Malu stand an der Seite, hatte die Finger ineinander verschlungen und vermochte nur mühsam ihre Kollektion zu erklären.
    Die Verkäuferinnen nickten hin und wieder. Zwei schüttelten die Köpfe, eine der Älteren verzog skeptisch den Mund.
    Und sie war es auch, die sich als Erste zu Wort meldete. »Ihre Kleider sind schön. Keine Frage. Aber ist die Pflege nicht schwierig? Jetzt liegt jede Falte, wo sie soll. Wie aber sieht es nach der ersten Wäsche aus?«
    In Gedanken sprach Malu ein Dankgebet an Ilme, weil diese ihr immer erlaubt hatte, an den Waschtagen mit dabei zu sein.
    »Die Pflege ist ein wenig aufwendiger als bei einem gewöhnlichen Kleid. Ich gehe davon aus, dass die möglichen Kundinnen ihre Wäsche außer Haus geben. Ansonsten sollte man den dunkelblauen Seidenmantel auf alle Fälle in einem Sud aus Efeublättern spülen, damit die Farbe leuchtet.«
    Die Ältere nickte. »Ja, das klingt logisch. Aber wer in Berlin verfügt schon über Efeublätter?«
    An dieser Stelle meldete sich der Reklamechef zu Wort. »Nun, das muss kein Problem sein. Wir können Efeublätter zu dem Kleid dazugeben. In einem Säckchen aus feinem Stoff zum Beispiel. Ich denke, das erhöht den luxuriösen Anstrich noch.«
    Malu blickte zu Jandorf. Der Inhaber des KaDeWe hatte die ganze Zeit still dagesessen, die Hände vor dem Bauch verschränkt, und leise gelächelt. Jetzt erhob er sich und knöpfte sein Jackett zu.
    »Meine Damen«, sprach er. »Wir sind uns wohl einig, dass diese Kollektion etwas ganz Besonderes ist. Ich jedenfalls wäre froh und stolz, sie in unserem Haus verkaufen zu dürfen. Was meinen Sie?«
    Tosender Beifall erklang, und Malu seufzte auf. Erst jetzt spürte sie, wie angespannt sie gewesen war. Ihre Schultern schmerzten, ihr Nacken fühlte sich steif an, und die Finger hatte sie so fest ineinander verschlungen, dass die Knöchel weiß hervortraten. Ich habe es geschafft, dachte sie glücklich. Ich habe es geschafft!
    Jandorf legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Kommen Sie«, sagte er. »Sie müssen den Vertrag unterzeichnen.«
    »Schon?«
    Jandorf lächelte. »Er ist fix und fertig. Ich wusste, dass Ihre Kleider uns begeistern werden.«
    Die Frauen rissen sich um ihre Kleider, und so arbeitete Malu wie eine Besessene, um der großen Nachfrage auch nur halbwegs gerecht zu werden – Monate und Jahreszeiten vergingen für sie wie im Fluge. Das KaDeWe versuchte sie davon zu überzeugen, ihre Kollektionen in höherer Stückzahl in einer Textilfabrik anfertigen zu lassen. Doch Malu lehnte diese Vorschläge ab, denn ihre Kleider waren Einzelstücke. Keines ähnelte dem anderen. Sie waren exklusiv, und das sollten sie auch bleiben. Schließlich waren ihre Kundinnen ebenfalls keine Frauen von der Stange. Malu wollte sich nicht ausmalen, was geschehen würde, wenn eine ihrer Roben bei einer Theaterpremiere plötzlich zweimal auftauchte.
    Allerdings brauchte sie für die neuen Entwürfe bessere Stickereien. Ihre Kollektion bestand zu einem kleinen Teil aus typisch lettischen Blusen, die vom Gesinde sonntags in der Kirche getragen wurden. Und nur in Lettland, nur in der Heimat, gab es solche Spitzen und Stickereien.
    Also fasste sie eines Tages den Entschluss, dass sie nach Riga reisen musste. Sie war praktisch dazu gezwungen. Es ging dabei nicht um Janis oder um ihre Mutter oder gar um das Gut, log sie sich vor. Es ging einzig und allein um den Einkauf von Materialien für ihre neuen Kleider.
    Um Constanze sorgte sie sich ein wenig, aber nicht genug, um deswegen in Berlin zu bleiben. Wenn Malu ehrlich war, so trieb sie alles nach Riga, alles hin zu Janis. Seit sie in Berlin lebte, war sie mit keinem anderen Mann ausgegangen. Der Einzige, der sie jemals zu einem Abendessen eingeladen hatte, war der Direktor des KaDeWe gewesen, dabei hatte es sich um ein Arbeitsessen gehandelt,

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