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Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition)

Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition)

Titel: Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fiona Capp
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auffälligen Turm und der Reihe von Zypressengewächsen, die sie immer an einen Friedhof denken lässt, weiter zum Meer dahinter und dann wieder zurück zu Nathaniel. Sie werde nicht mehr davonlaufen, fährt sie fort, wenn dies bedeute, jene zurücklassen zu müssen, die ihrer bedürfen. Da ginge sie lieber das Risiko ein, entdeckt zu werden.
    Sie nähern sich den Ställen, als sie von drinnen Geräusche hören. Nathaniel schiebt die Holztür auf und führt das Pferd in seine Box. Dyson, der eins der anderen Pferde bürstet, blickt auf und nickt zur Begrüßung.
    Jemma fällt auf, wie die Flanken des Pferdes im trüben Licht des Stalls glänzen und wie entschlossen Dyson es mit der Bürste bearbeitet. In seinen Bewegungen liegt eine Ruhe und Gewissheit, die alles andere in Zweifel zu ziehen scheint. Er weiß, was er tut und warum er hier ist. Jemma wünscht, sie könne das auch von sich behaupten. In ihrer Welt gibt es keine Gewissheit. Weder wer sie ist noch was sie tut oder wohin sie geht.
    In einiger Entfernung von den Ställen nehmen sie ihr Gespräch wieder auf. Jetzt ist es fast dunkel. Nathaniel wirft ihr vor, sie sei starrsinnig und töricht, denn sie könnten für den Jungen nichts tun. Sie seien nicht für ihn verantwortlich. Selbst wenn Henry versprechen sollte, es keinem zu erzählen, würde er sie doch irgendwann verraten, ob beabsichtigt oder nicht.
    »Er möchte mit uns mitkommen, Nathaniel.«
    »Und was hast du ihm gesagt?«
    »Dass ich mit dir reden werde.«
    Nathaniel weiß, dass sie sich davon nicht wird abbringen lassen. Entweder nehmen sie den Jungen mit oder Jemma bleibt. Er hat in dieser Angelegenheit nichts zu sagen. Müde fragt er: »In seinem Zustand?«
    Jemma teilt seine Meinung, dass Henry nicht reisen dürfe. Aber es soll auch nur bis nach Melbourne sein. Seit ihrem letzten Gespräch mit Dr. Leask hat er ihr einen Brief geschrieben mit dem Versprechen, bald zu kommen und seinen Sohn abzuholen. Sie werden ihn ganz einfach nach Hause bringen, wo er hingehört.
    »Wenn ich Henry zu der Einsicht bringen kann, dass er unsere Sicherheit gefährdet, wenn er bei uns bleibt, wird er sicherlich tun, worum wir ihn bitten. Er hat durchaus das Recht, auf uns wütend zu sein, Nathaniel. Aber er ist es nicht. Und dafür schulden wir ihm Dank.«
    Sie warten bis Mitternacht, um sicherzugehen, dass alle Angestellten schlafen, und schleichen sich dann so leise wie möglich zu den Ställen. Zum Glück ist der Himmel klar, und der zunehmende Mond wird ihnen auf ihrem Weg leuchten. Irgendwie schafft Henry es, nicht zu husten, bis sie das Anwesen hinter sich gelassen haben und sich auf der Straße nach Settlers Cove befinden.
    Henry, der zwischen Nathaniel vor und Jemma hinter sich reitet, hat das Gefühl, durch die Luft zu schweben. Wenn sie an Tempo zulegen, hat er fast das Gefühl zu fliegen, so wie ihm der Wind um die Ohren weht. Endlich hat das große Abenteuer begonnen! Das Pferd scheint seinen Weg zu kennen, und Henry lässt sich von ihm glücklich durch die silbrige Nacht tragen.
    Als er das glatte, ruhige Glitzern der Port Phillip Bay sieht, die sich vor ihm öffnet, weiß er nicht, ob er wacht oder schläft. Kurz bevor sie eine Mole erreichen, die in einen fernen Horizont hinausführt, machen sie auf dem grasbewachsenen Küstenvorland halt und geben die Pferde frei. Dann kann er sich nur noch daran erinnern, dass er sich auf eine Decke im Gras hat sinken lassen, vor sich die Silhouetten von Nathaniel Byrne und Jemma Musk, die wie verwirrte Eltern neben ihm stehen und seinen Schlaf bewachen.

47
    Sie verlassen den Dampfer am Railway Pier, umkreischt von Möwen, die über ihren Köpfen kreisen, als sie – durch das Vogelgeschrei und die Schreie der Lastenträger – einen Zeitungsjungen das Neueste über Musk und Byrne in der Frühausgabe der Nachmittagszeitung ausrufen hören. Jemma hatte gewusst, dass die Zeit knapp war, aber auf einen Tag Gnadenfrist gehofft, ehe die Nachricht die Runde machte. Als sie jetzt die Schlagzeile unter »Telegrafische Depesche aus Flinders« liest, spürt sie regelrecht, wie die Telegrafendrähte sich immer enger um sie zusammenziehen und dabei die Schlaufen für ihre Hälse formen. MUSK UND BYRNE ENTFÜHREN ARZTSOHN.
    Zum Glück stehen sie neben einer Bank. Jemma lässt sich darauffallen und gibt Henry die Zeitung, während Nathaniel brummelnd auf und ab läuft. Er hatte es vorhergesehen.
    Henry blickt völlig niedergeschlagen von der Zeitung auf. »Es tut mir

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