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Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition)

Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition)

Titel: Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fiona Capp
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klebenden Anzügen in den Badetempeln verschwunden. Nie mehr hatte der See mit seinen sanft gegen das Ufer plätschernden Wellen so verlassen gewirkt.
    Als Gotardo seinen Blick wieder Richtung Celestina und Jemma lenkt, sind sie hinter einer Biegung des Bachlaufs verschwunden.

4
    Mildred Evans, die Haushälterin von Rutherford Park, wartet bereits im Foyer, als Jemma an diesem Abend kurz vor Sonnenuntergang durch die Tür schlüpft. Sobald sie Mildreds Gesichtsausdruck sieht, eine Mischung aus Mitleid und Ungeduld, hat die junge Frau eine Vorahnung dessen, was sie erwartet.
    »Mr. Rutherford wünscht, Sie in seinem Arbeitszimmer zu sehen.«
    »Hat er gesagt, warum?«
    Mildred richtet sich auf: »Das geht mich nichts an, Miss Musk.«
    Jemma versichert ihr, sie werde zu ihm gehen, sobald sie ihr Gesicht gewaschen und ihre Bluse gewechselt habe. Dass ihr Schlüpfer und ihr Hemd vom Schwimmen noch feucht sind, lässt sie unerwähnt.
    Zusammen mit Celestina hatte sie im Petticoat im Gras gelesen, die Unterwäsche lag zum Trocknen auf niedrigen Zweigen. Celestina brachte ihre Freude zum Ausdruck, dass Jemma das Fest gefallen habe, und meinte, sie habe gehofft, dass Jemma sich als Teil der Familie fühlen werde, zumal sie keine eigene mehr habe. »Mein armes Waisenkind«, nannte Celestina sie gern, und Jemma quittierte das jedes Mal mit einem Lachen und behauptete, man könne mit dreiundzwanzig Jahren kein Waisenkind mehr sein. Doch das Lachen verbarg nur dürftig den tiefen Grundton der Traurigkeit, der sie begleitete, seit ihr der Kummer ihres Vaters und dessen stille Verehrung seiner toten Frau zum ersten Mal bewusst geworden sind. Der Druck auf ihn, sich wieder zu verheiraten, war groß gewesen, um ihretwillen sollte er es tun, wenn schon nicht für sich selbst. Aber er hatte sich geweigert. Wenn Jemma dem, was die Menschen für »richtig« oder »angemessen« hielten, eine gewisse Geringschätzung entgegenbrachte, dann hatte sie diese von ihrem Vater, der ihr gezeigt hatte, wie wichtig es war zu erkennen, was der eigene Geist, die eigene Seele wollten.
    Während Celestina ihre Kleider anzog, erwähnte sie, dass ihr Vetter Gotardo einen Englischlehrer suche. Sein Englisch sei zwar akzeptabel, aber ziemlich altmodisch, da er es sich selbst anhand der King-James-Bibel beigebracht habe.
    Und Jemma meinte kichernd, als sie ihren feuchten Schlüpfer hochzog: »Du meinst also, er sprichet?«
    »Ich habe ihn ›Ihr‹ und ›Euch‹ sagen hören.«
    »Es wäre eine Schande, ihn zu korrigieren.«
    »Was hältst du davon, ihn zu unterrichten? Er kann es bezahlen, und es wären auch nur ein paar Stunden die Woche.«
    Jemma hatte gründlich darüber nachgedacht, war aber zu dem Schluss gekommen, dass sie keine Zeit erübrigen konnte. Sie hatte diese Stellung schließlich angenommen, um mehr Zeit für ihre Kunst zu haben, und außerdem hegte sie den Verdacht, dass Celestina was im Schilde führte.
    Doch als Jemma sich der Treppe von Rutherpark Park zuwendet, sagt Mildred mit erhobener Stimme, dass Mr. Rutherford darauf bestanden habe, Jemma zu sehen, sobald sie durch die Tür komme. »Er wartet schon geraume Zeit, Miss Musk«, ergänzt Mildred wie zur Warnung.
    Jemma ist versucht zu erwidern, dann könne er auch noch ein wenig länger warten. Der Sonntag sollte eigentlich ihr freier Tag sein. Sie drückt sich das Haar zurecht, streift ihr Kleid vorne glatt und folgt anschließend Mildred durch den Flur zu Mr. Rutherfords Arbeitszimmer.
    Mildred klopft, lässt Jemma ein und verschwindet dann rasch.
    Mr. Alfred Rutherford erhebt sich von seinem Platz hinter einem gewaltigen Schreibtisch mit Lederoberfläche, auf dem nur ein Tintenlöscher, ein Tintenfass und eine Lampe stehen. Er ist ein kleiner Mann mit einem verkniffenen Gesichtsausdruck und einem großen gewachsten Schnurrbart, der viel zu groß für sein Gesicht zu sein scheint. Jemma hat bemerkt, dass er mit Vorliebe hohe Hüte trägt, zweifellos, weil sie ihn um ein paar Zentimeter größer erscheinen lassen. Wie zwergenhaft ihn sein Schreibtisch aussehen lässt, weiß er vermutlich nicht, denn anstatt Autorität auszustrahlen wirkt er dahinter zusammengeschrumpft und sogar ein wenig ängstlich, als würde er sich dahinter ducken.
    Er bedeutet ihr, Platz zu nehmen, und setzt sich selbst auch wieder. Seine Finger suchen rastlos nach etwas zum Festhalten. Als Leiter der einzigen Bank dieser Stadt ist er es gewöhnt, Dokumente in der Hand zu halten, die jeder Entscheidung, die er

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