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Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition)

Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition)

Titel: Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fiona Capp
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mir?«
    »Ich kenne die fragliche Familie. Mr. und Mrs. Fitzgibbon gehören zu den bedeutendsten Familien unserer Stadt. Ich habe mit ihnen gesprochen, um mir die Geschichte nachweisen zu lassen. Sie waren zutiefst entsetzt, auf welch herzlose Art Sie die Not ihrer Tochter missachtet haben, und fanden Ihr Verhalten für eine junge Frau gewissermaßen unnatürlich. Ich verteidigte Sie, so gut mir dies in Anbetracht der Tatsache, dass wir uns kaum einen Monat kennen, möglich war. Und ich ließ die Fitzgibbons wissen, dass ich Sie nicht eingestellt hätte, wäre ich von Ihrem guten Charakter nicht überzeugt gewesen; versicherte ihnen außerdem, dass ich Sie im Umgang mit meiner Tochter Caroline beobachtet habe und von Ihrer Intelligenz und Ihrer Gutmütigkeit beeindruckt war.«
    Rutherford hat seinen Schreibtisch verlassen und lehnt nun am Kaminsims. Als hätte ihn sein eigenes Wohlwollen entspannt, schlägt er jetzt einen onkelhafteren Ton an. Da sie von Melbourne komme, kenne sie womöglich die Gepflogenheiten dieser Stadt noch nicht hinreichend, meint er. Sie habe vor fünfzehn Jahren noch kaum existiert, sei kaum mehr als ein klappriger Außenposten aus Leinwandzelten und baufälliger Hütten gewesen, denen ein schlechter Ruf angehaftet habe. Weil die Siedlung abseits der Hauptstraße gelegen habe, sei sie willkommener Zufluchtsort und Versteck für Banditen und Pferdediebe und Mörder gewesen. Er brauche wohl kaum zu betonen, was für ein rauer, gewalttätiger Ort dies gewesen sei, voller verzweifelter, wild aussehender Männer. Um sich eine Vorstellung davon zu machen, was aus diesem Chaos entstehen könne, um aus diesem Schmutz solide Basaltfundamente hochwachsen zu sehen, habe es einen ganz besonderen Typ von Mensch, einen Visionär gebraucht. Wo so viel Geld im Umlauf war und es nirgendwo einen sicheren Ort gab, es zu verwahren, sei eine Bank dringend nötig gewesen. Doch eine zu eröffnen, wie er das getan habe, sei ein gefährliches und höchst riskantes Unterfangen gewesen. Menschen wie Mr. Fitzgibbon und er hätten hart und lang dafür gearbeitet, die Grenze zu zivilisieren, hätten täglich ihr Leben aufs Spiel gesetzt, um diese Stadt zu dem stabilen und respektablen Ort zu machen, der sie jetzt war, ein Ort, wo jeder Bürger seine Pflicht kenne, die Gesetze zu befolgen und die Werte des höflichen Umgangs zu achten, die man so mühsam errungen habe.
    Rutherford kehrt an seinen Schreibtisch zurück und lehnt sich daran. »Geben Sie zu, dass das, was Sie getan haben, unverantwortlich gewesen ist. Entschuldigen Sie sich bei den Eltern des Kindes. Wenn Sie das tun, werde ich kein Wort mehr darüber verlieren. Caroline ist Ihnen sehr zugetan, und es liegt mir fern, ihre Erziehung zu unterbrechen.« Ein kleines zufriedenes Lächeln spielt um seine Mundwinkel. »Nun, was ist?«
    Jemma gräbt ihre Finger in die Polsterung des Stuhls, auf dem sie sitzt. Es fällt nicht schwer, seinen Standpunkt zu verstehen. Und nicht schwer, Verständnis dafür aufzubringen, warum die Eltern des Mädchens eine Entschuldigung von ihr hören wollen. Sie nimmt jedoch an, dass sie, würden sie die Gemälde sehen, keine Entschuldigung gelten lassen würden. Sie hat das Gesehene zu getreu wiedergegeben: des Vaters geschwollene Nase und die hervortretenden Augen, das in Unordnung geratene Haar der Mutter, ihr Mund ein klaffender Schlitz. Es besteht nunmehr keine Hoffnung, diese Gemälde ausstellen zu können. Jedenfalls nicht in diesem Bezirk. Und am Ende stimmt es ja auch, was Mr. Rutherford behauptet, die Gemälde tun nichts zur Sache. Sie zur Rechtfertigung heranzuziehen käme der Behauptung gleich, dass jegliches Verhalten im Namen der Kunst zu akzeptieren sei, und daran glaubt auch sie nicht wirklich.
    Und doch, was hat sie tatsächlich getan? Nur weitergezeichnet, weil es nichts anderes zu tun gab. Und sie war tatsächlich zu weit weg, etwas anderes durfte sie sich von ihm nicht unterstellen lassen. Es war nicht ihr Fehler, dass der Wind das Picknick ruiniert und das Kind beinahe mitgerissen hatte. Sie ist nicht verantwortlich für die kapriziösen Naturgewalten und deren Gleichgültigkeit den Menschen gegenüber. Man hat sie zum Sündenbock gemacht. Das ist die Wahrheit des Ganzen.
    Sie spürt ein Brennen an ihren Haarwurzeln. Sie versucht sich zu zwingen, Ruhe zu bewahren. Eine Entschuldigung ist ein kleiner Preis dafür, ihren Arbeitsplatz behalten zu dürfen – und Paris in Reichweite zu wissen. Sie will gerade etwas sagen,

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