Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition)
Grund, weshalb Jemma nun in Wombat Hill wohnte und in diesem Augenblick den Ehrengast, Gotardo Voletta, dabei beobachtete, wie er das Ritual, das er vor einer Stunde begonnen hatte, zu Ende führte, indem er den Bauch des Tieres aufschlitzte und die Eingeweide in wartende Hände fallen ließ.
Die Frauen haben sich am Brunnen versammelt, um die Därme zu reinigen, die zu Wurstpellen wurden. Durch die milchigen Membranen kann Jemma bläuliche Beulen halb verdauter Nahrung gemischt mit Galle erkennen. Celestina und Marina winken sie zu sich, und dieser eingeschworenen Gemeinschaft kann sie sich nicht verweigern. Wohlig durchdrungen vom Wein und angenehmer Gesellschaft nimmt Jemma Platz und sieht zu, wie Marina ein Stück Darm abschneidet und vorführt, wie man durch rasche Bewegungen von Zeigefinger und Daumen den Kot herausdrückt, ehe man ihn wäscht. Jemma konzentriert sich auf die notwendigen Verrichtungen und ist überrascht, wie schnell sie sich an den Geruch der Eingeweide und den beißenden Rauch der abgeflammten Borsten gewöhnt. Was ihr noch vor Stunden als ekelerregende Aufgabe erschien, war in ein zeitloses Ritual übergegangen, das sie in dieser Gemeinschaft willkommen geheißen und ihr das Gefühl vermittelt hat, eine der ihren zu sein.
Marina dreht das Schweinefleisch durch den Fleischwolf und mischt es mit dem bereits fertigen Rinderhack, den Kräutern und Gewürzen und Unmengen scharfen Knoblauchs, bevor die Därme auf den Wurstbereiter gezogen werden.
»Ruhe jetzt«, verkündet sie. »Wir fangen an.«
Die Gäste scharen sich mit ihren Weingläsern in der Hand um das Gerät, dessen Kurbel Marina dreht und so das Wurstbrät in die schwellenden Häute füllt. Die Menge jubelt, als die erste der diesjährigen Würste, gemischt aus Rind und Schwein, Gestalt annimmt. Gotardo, der in den Jubel einstimmt, betrachtet die junge Gouvernante, die neben Marina steht. Sie gehört eindeutig nicht zu seinen Leuten, und er könnte schwören, dass ihr trotz ihrer hellen Haare und des hellen Teints ein östlicher Einschlag anhaftet. Anfangs machte sie auf ihn einen reservierten und distanzierten Eindruck. Und erst als sie über den Tisch hinweg kurz miteinander ins Gespräch kommen, entdeckt er in ihren Augen ein Brennen und eine unerwartete Wildheit. Und er muss seinen ersten Eindruck revidieren. Als er sie unter dem Mandelbaum hatte sitzen sehen, hätte er in ihr niemals eine Frau vermutet, die sich bereitwillig die Hände blutig macht.
Pliny gesellt sich zu ihm, und nachdem er schweigend die neue Wurstkette betrachtet hat, reicht er Gotardo feierlich ein Glas seines besten Rotweins.
»Willkommen zu Hause«, sagt er, und sie lachen ob der merkwürdigen Wahrheit dahinter.
Es sei ein Glück, fügt er leise hinzu, dass Gotardo nicht schon vor zwei Wochen angekommen sei. Was als Hochzeit seines Neffen »Sunny« Serafini geplant gewesen sei, habe sich in eine Trauerfeier verwandelt, nachdem der Junge beim Roden von Baumstümpfen auf seinem Land von einem gerissenen Drahtseil glatt durchtrennt worden sei. Pliny deutet auf eine junge bleiche Frau, die fern der übrigen in einem Flechtstuhl am äußersten Ende der Veranda sitzt. Ohne von ihrem Schoß aufzublicken arbeitet sie an einem bestickten Stück Leinen, das Teil ihrer Aussteuer sein sollte.
»Hat seit dem Vorfall kein Wort mehr gesagt«, erklärt Pliny, während er seinen Pfeifenkopf an der Wand des Hauses abklopft.
Gotardo kann selbst auf diese Entfernung erkennen, wie fest die junge Frau die Nadel umklammert hält, ihre Knöchel so weiß wie das gebleichte Tuch, das sie bestickt.
»Sie ist ein reizendes Ding«, ergänzt Pliny und wirft dabei einen bedeutungsvollen Blick auf Gotardo.
Gotardo weiß sehr wohl, worauf Pliny hinauswill. Er hat niemandem von Felice erzählt, noch schien ihm der passende Moment nicht gekommen. Nur seine Brüder wissen von der Verlobung, doch er ist erleichtert, dass sie nicht in der Stadt sind, sondern sich geschäftlich in Ballarat aufhalten. Pliny sagt, sie seien immer in das eine oder andere Geschäft zum Geldverdienen verwickelt. Und Gotardo hat sie seit seiner Ankunft in Wombat Hill kaum zu Gesicht bekommen.
Pliny zieht nachdenklich an seiner Pfeife. »Nur gut, dass du nicht in die Minen hinuntersteigst.«
Gotardo hat bereits viele schlimme Geschichten von Einstürzen und faulen Gasen gehört. Kaum ein Tag vergeht, ohne dass jemand im Gas umkommt oder zerquetscht wird. Nein, für ihn kommen diese düsteren feuchten Gänge
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