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Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition)

Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition)

Titel: Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fiona Capp
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Abenteuer ist, das man ansonsten in einem Buch lesen würde. Er sagt ihr, wie sehr es ihn überrascht habe, dieses Land staubig vorzufinden. Wie er und seine Kühe sich auf der Straße von Melbourne in einer ständig summenden Wolke von Staub und Fliegen zu bewegen schienen. Und wie weh ihm seine Füße taten, nachdem er endlich Wombat Hill erreicht hatte!
    Aus irgendeinem Grund scheint Miss Musk das zu amüsieren.
    »Stimmt was nicht mit meinem Englisch?«, fragt er.
    »Nein, nein. Aber gewisse Ausdrücke sind …« Sie sucht nach dem richtigen Wort. Als ihr einfällt, dass er etwas Griechisch kann, sagt sie: »Archaikos.«
    »Archaikos!« Er lacht. Sein Englisch ist archaisch. Antiquiert. Kein Wunder, dass ihn die Leute so seltsam ansehen. Er hätte es merken sollen.
    Sie versichert ihm, er beherrsche die Grammatik perfekt und verfüge über einen sehr eindrucksvollen Wortschatz. Allerdings müsse er noch an seiner Aussprache und Umgangssprache arbeiten.
    In der folgenden Stunde sitzt Gotardo im Salon der Serafinis und versucht sich an einer langen Liste von Worten und Sätzen, die gänzlich anders klingen, als sie geschrieben werden. Als er auf Miss Musk wartete, hatte er befürchtet, sich in ihrer Gegenwart nicht konzentrieren zu können, weil sich in seiner Erinnerung hartnäckig das Bild von ihr hielt, wie sie im Fluss schwamm und ihn ablenkte. Dann war er jedoch so sehr damit beschäftigt gewesen, sich zu beweisen, und seine Augen klebten an der Seite vor ihm, dass er kaum an sie dachte.
    Nachdem er sich durch einen schwierigen Textabsatz hindurchgearbeitet hat, blickt er zu ihr auf, um sich ihrer Anerkennung zu vergewissern, aber sie sitzt mit geschlossenen Augen zurückgelehnt auf ihrem Stuhl, was auf Ungeduld, wenn nicht sogar Verachtung schließen lässt. Selbst die leicht nach oben gebogene hübsche Stupsnase unterstreicht den Eindruck, dass sie sich langweilt. Plötzlich hat er genug von dieser abgehakten Sprache. Gestutzt. Immer zurückhaltend. Wie die Leute selbst. Er versucht zu wiederholen, was sie sagt, und trennt die Sätze in ordentliche kleine Päckchen ab, achtet darauf, diese stummen »Es« nicht mit auszusprechen, die nur darauf warten, ihn am Ende so vieler Worte ins Schleudern zu bringen. Aber noch immer kriegt er es nicht richtig hin.
    Ihm kommt nicht in den Sinn, dass sie die Geräusche, die er macht, genießen könnte, seine Art, den abgedroschenen Phrasen und Redewendungen Leben und Sehnsucht einzuhauchen.
    Als sie die Augen öffnet, sieht Jemma etwas, das sie laut auflachen lässt. Gotardo glaubt, sie lache über ihn, bis er merkt, dass sie ihm über die Schulter schaut. Vor dem Fenster des Salons ist der Kopf einer Kuh aufgetaucht, die ihre feuchte Nase an der Scheibe platt drückt, wobei die im Glas eingeschlossenen Blasen von ihrem Maul aufsteigen, als befände sie sich unter Wasser. Gotardo springt auf und fuchtelt mit den Armen und schreit in schnellem Dialekt auf das heimlich lauschende Tier ein. Die Kuh wendet sich gehorsam ab und trottet zurück zum Rest der Herde, die auf der Weide hinter dem Haus grast.
    »Diese Isabella!« Er setzt sich wieder an den Tisch. »Immer will sie wissen, was ich mache.«
    »Sie schien zu verstehen, was Sie zu ihr gesagt haben.«
    »Sie verstehen mehr, als man annehmen möchte.« Doch jedes Mal, wenn er sein Englisch an ihr ausprobiert, sieht sie ihn nur dumm an und weigert sich, sich vom Fleck zu bewegen. Und er kann nicht umhin, darin einen Tadel zu erkennen, was die Beherrschung seiner neuen Sprache angeht, selbst wenn es keinen Grund dafür gibt, dass sie reagieren sollte. Er wirft einen raschen Blick auf Miss Musk. »Vielleicht sollten Sie auch Isabella unterrichten.«
    Jemma spielt die Empörte. Doch dann fällt ihr etwas ein, was ihn vielleicht aufheitern könnte. Sie sagt ihm, sie würde ihm gern ein Gedicht vorlesen.
    Gotardo verkrampft sich, da er befürchtet, es nicht verstehen zu können. Man gebe ihm ein Gedicht in seiner Muttersprache und er käme bestens klar damit. Das Beste am Lateinlernen war die Lektüre von Ovid – bis der Priester dahinterkam und ihn schlug, weil er ein derart gottloses Buch aufgeschlagen hatte. Die Psalmen hatte er auch immer geliebt. Zu seiner Erleichterung ist das Gedicht nicht kompliziert. Es ist von einem Mann namens Wordsworth, was ihm ein passender Name für einen Dichter zu sein schien. Der Dichter wandert einsam durch die Landschaft und kommt dabei zu einem Feld goldener Narzissen. Zehntausende tanzen

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