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Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition)

Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition)

Titel: Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fiona Capp
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Melbourne schreckt sie. Doch eine Zukunft in Wombat Hill sieht äußerst trübe aus. Keine der drei Privatschulen der Stadt, an denen sie sich als Lehrkraft beworben hat, hat auch nur geantwortet, obwohl sie weiß, dass zwei von ihnen Stellen zu vergeben haben. Ohne ihre Kunst wüsste sie nicht, wie sie das aushalten sollte. Doch dann fällt ihr ein, dass sie ohne ihre Kunst nicht in diese Lage geraten wäre. Es ist ein Teufelskreis.
    Sie muss an Mr. Voletta denken, der, obwohl er gerade erst hierhergekommen ist, schon sehr verwurzelt zu sein scheint. Wie begeistert er Pläne schmiedet – von der Molkerei und dem Haus, das er bauen, dem Käse, den er herstellen möchte – und von den Möglichkeiten spricht, die dieses Land bietet. Sie muss ihn bewundern für diese Gewissheit, seine Besonnenheit, seinen Glauben, dass alles sich zum Besten wenden wird. Noch nie zuvor hat sie einen Erwachsenen unterrichtet. Das Unterrichten junger Damen konnte, abhängig vom Schützling, ermüdend oder erfreulich sein, aber es war immer eine ernste Angelegenheit. Und umso angenehmer ist es, jemanden zu unterrichten, mit dem man auch einen Scherz machen kann, ohne befürchten zu müssen, dass er unpassend ist. Sie kann auch nicht leugnen, dass es durchaus was Erregendes hat, sich von Erwachsenem zu Erwachsenem zu unterhalten und dabei zu entdecken, dass die Sprache tatsächlich keine Barriere darstellt.
    Dieser Gedanke lässt sie aufmerken. Keine Barriere wogegen?
    Aber anstatt den Gedanken weiterzuverfolgen, lässt sie sich seine Bitte durch den Kopf gehen. Ihr erstes Auftragswerk. Er möchte, dass sie ihm ein Bild malt – eine pastorale Szene seiner Herde, damit er sie in sein neues Haus hängen kann, sobald es fertig ist. Als sie ihn fragte, ob Celestina mit ihm geredet habe, errötete er und sagte, Celestina habe ihm von ihrer Lage erzählt, doch das Gemälde sei ganz allein seine Idee.
    Jemma ist in Gedanken noch bei Gotardo, da hört sie ihren Namen von einer Stimme rufen, die sie sofort erkennt. Sie zuckt zusammen, als sie aufblickt und vor sich einen Polizisten auf einem geschmeidigen ebenholzfarbenen Hengst sieht, der von seinem Sattel zu ihr herablächelt. Er steigt nicht ab, sondern blickt auf sie hinunter und sagt: »Na so was!«
    Jemma bringt kein Wort über die Lippen. Ihr Magen ist ein kalter, harter Knoten. Was macht er hier? Sie hat Marcus O’Brien das letzte Mal vor sechs Monaten in den Fitzroy Gardens gesehen, nicht weit von dem Häuschen entfernt, das sie und ihr Vater in East Melbourne bewohnten. Es war ein frischer Frühlingsmorgen gewesen, und sie waren am Rande des Parks entlanggeschlendert und dann im Schatten einer Ulme stehen geblieben, wo er ihre Hand genommen und sie gebeten hatte, seine Frau zu werden.
    Solange ihr Vater lebte, war Jemma leichtgläubig davon ausgegangen, dass Constable O’Brien nur aus Achtung für seinen alten Lehrer, dem er echte Bewunderung entgegenbrachte, regelmäßig ihr Haus aufsuchte. Dann saßen die beiden Männer im Salon, vor dem Kamin, wenn es kalt war, und unterhielten sich über die neuesten Meldungen über berüchtigte Strauchdiebe wie Ben Hall und Johnny Gilbert. Eines Nachmittags im Mai 1865 war der Constable mit einer Flasche Scotch Whisky in ihrem Haus aufgetaucht, um den Tod von Hall zu feiern, dem ersten offiziellen Gesetzlosen des Landes, der tags zuvor von der Polizei in Forbes erschossen worden war. O’Brien blieb an diesem Abend zum Dinner und sprach von nichts anderem als von Hall und seinen Heldentaten, derer es so viele gab, dass die Polizeikräfte wie Dummköpfe dastanden. (Von besonderer Dreistigkeit war jener Vorfall, als drei Polizisten von Halls Bande gefangen genommen, ihrer Uniformen entkleidet und an Bäumen festgebunden zurückgelassen wurden.) Jemma hatte den Eindruck, als würde diese Akte der Demütigung den jungen Constable wütender machen als irgendeiner von Halls Raubzügen.
    Jemma verstand sehr gut, dass ihr Vater stolz auf das war, was Marcus aus sich gemacht hatte. Wie er die Schwarzseher widerlegt hatte, all jene, die ihn als hoffnungslosen Fall abgeschrieben und ihn bereits auf der anderen Seite des Gesetzes gesehen hatten. Ihr Vater glaubte voller Überzeugung an die Macht der Erziehung, die alle Menschen von den Banden ihrer Klasse zu befreien vermochte, und dass ihm dies bei Marcus gelungen war, darauf war er besonders stolz. Dessen Gesellschaft konnte recht anregend sein, obwohl Jemma manchmal fand, dass er sich zu sehr bemühte.

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