Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition)

Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition)

Titel: Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fiona Capp
Vom Netzwerk:
Sich immer von seiner besten Seite zeigte. Später sollte sie sich erinnern, wie empfindlich er auf Zurückweisungen reagiert hatte und wie sich bei ihm, da er zu einem schlanken, schlaksigen Mann heranwuchs, eine gewisse Hohlwangigkeit zeigte, betont von Koteletten, die seiner Kinnlinie folgten und in einen ordentlichen kleinen Kinnbart übergingen. Die meiste Zeit jedoch wurde diese Hohlwangigkeit von einem immer vorhandenen Lächeln neutralisiert. War Jemma mit Malen beschäftigt, wenn er vorbeischaute, klopfte er an ihre Ateliertüre und fragte, ob er störe. Niemals versuchte er, durch überschwängliches Lob ihrer Arbeit zu schmeicheln. Er blieb stattdessen an den Türrahmen gelehnt stehen und zog sie auf brüderliche Weise wegen ihrer Mimik auf, die sie bei konzentriertem Arbeiten zeigte, ließ dann eine wohl überlegte Bemerkung fallen, die Wertschätzung signalisierte, aber sonst nicht viel zu bedeuten hatte.
    Irgendwann begann Marcus, sie zu Spaziergängen durch den Park oder zu Theaterbesuchen einzuladen. Da hätte sie merken müssen, welche Absichten er verfolgte. Aber sie hatte in ihm nie jemand anderen als einen der Schützlinge ihres Vaters und einen Freund der Familie gesehen.
    Was von ihr nicht als Herablassung gedacht war. Sie war jung und ganz von ihrer Kunst und ihrem Kunstlehrer Monsieur Foussier ergriffen, der sie mit seiner ungenierten Analyse der weiblichen Gestalt gleichermaßen geschockt wie gefesselt hatte. Für die Heuchelei, die es einem Künstler erlaubte, einen weiblichen Akt zu malen, »ehrbaren« Frauen jedoch nicht gestattete, auch nur das kleinste Fitzelchen Fleisch zu zeigen, hatte er nur Verachtung übrig. Ermutigt von Monsieur Foussiers Äußerungen, wie anders die Dinge auf dem Kontinent waren, hatte Jemma trotzig angeboten, ihm Modell zu stehen – sofern er dasselbe für sie täte.
    »Natürlich«, hatte sie hinzugefügt und dabei gehofft, weltgewandter zu klingen, als sie tatsächlich war, »schließt das Aktmodellstehen keine Verpflichtung für das Leben ein.«
    Bis auf den Anflug eines Lächelns blieb sein Gesicht ungerührt. »Touché, Mademoiselle. Ich bin froh, dass wir einander verstehen.«
    Monsieur Foussier hatte die blasseste Haut, die Jemma je an einem Mann gesehen hatte, und in der Dunkelheit des Raums schimmerte er wie Alabaster, als wäre Michelangelos David zum Leben erweckt. Es erregte sie außerordentlich, und sie empfand Macht dabei, mit ihren Händen über den glatten Torso und die Schenkel zu streichen und zu verfolgen, wie seine Erregung sichtbar wurde. Und ihn dann auf diese Weise zu zeichnen. Sie liebte ihn nicht, aber es gefiel ihr, dass er tiefe Bedürfnisse in ihr aufwühlte, von deren Vorhandensein sie nichts geahnt hatte. Das Wissen, dass ihre gemeinsame Zeit begrenzt war, verstärkte den Genuss ebenso wie die ernste Gefahr, entdeckt zu werden.
    Und das wäre auch beinahe geschehen, als Marcus eines Tages unerwartet zum Haus kam. Als sie die sich auf dem Eingangsweg nähernden Schritte hörte, warfen sie sich rasch die Kleider über, aber die Röte ihrer Wangen und das begeisterte Leuchten ihrer Augen vermochte Jemma nicht zu verbergen.
    »Marcus! Ich bin noch mitten im Unterricht.« Sie scheuchte ihn in den Salon, bat ihn, sie zu entschuldigen, und brachte dann rasch Monsieur Foussier zur Tür. Als sie in den Salon zurückkehrte, stand Marcus vor dem Kamin, starrte ins Feuer und klammerte sich mit beiden Händen an den Kaminsims, als wolle er diesen herunterreißen. Sobald sie den Raum betrat, wirbelte er herum und verlangte von ihr zu erfahren, was sie im Schilde führe.
    Jemma verkrampfte sich. Er hatte nicht das Recht, so mit ihr zu sprechen, egal, was er vermutete. Mit erhobenem Kinn sagte sie: »Sie sind nicht mein Bruder, Marcus. Ich bitte Sie daran zu denken, dass ich Ihnen keine Antwort schuldig bin.«
    »Ihr Bruder?«, zischte er. Einen Moment lang flackerten seine Augen auf, dann war der Zorn verschwunden. Seine Schultern sackten zusammen. »Es tut mir schrecklich leid, Jemma. Können Sie mir verzeihen?«
    Marcus schien von sich so entsetzt zu sein, dass Jemma Gewissensbisse bekam. Er sorgte sich sicherlich, was ihr Vater davon halten würde und was es für sie bedeutete, wenn andere davon erfuhren. Sie sollte ihm dankbar sein, dass er sie zur Vernunft brachte.
    Nachdem ihr Vater zu Hause eingetroffen war, teilte sie ihm umgehend mit, keinen weiteren Kunstunterricht mehr zu benötigen. Dieses Stadium habe sie hinter sich.
    Als Marcus das

Weitere Kostenlose Bücher