Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition)
auf Holzhäuser, die klein und mickerig waren. Die Kreise der Hölle begannen mit den Abraumhalden und verlassenen Schächten nahe am Fluss und stiegen dann hinab in die sumpfigsten und tiefsten Bereiche der Stadt, wo die Chinesen ihre Gemüsegärten und Hütten hatten, die, soweit Jemma das erkennen konnte, vollkommen überschwemmt zu sein schienen.
Nun hat der Sturm die Grenzen dieser säuberlich geordneten Welt verwischt und überall Chaos verbreitet. Vorsichtig geht sie die schlammige Straße hinunter, auf der überall Äste und hin und wieder ein Stück Wellblech liegen, das der Wind von den Dächern gerissen hat. Überall sieht man kaputte Fensterscheiben, vormals gepflegte Gärten sind weggefegt, Zweige entlaubt und kleine Bäume entwurzelt. Verandapfosten sind umgestürzt und lassen ganze Vorbauten in einer gefährlichen Schräglage zurück. Erst als Jemmas Auge auf eine Reihe von Telegrafenmasten neben dem Postamt fällt, die bis hoch zu ihren Drähten eingesunken sind, beginnt sie darüber nachzudenken, was sich unter ihren Füßen abspielt. Sie hatte Celestina von einem Tunnel erzählen hören, der direkt unter der Hauptstraße verlief, und dass die ganze Stadt auf einer Bienenwabe aus Minen aufgebaut sei. Die soliden Basaltfundamente der Stadt, von denen Mr. Rutherford gesprochen hatte, sind nur so solide wie die Erde darunter, die, wie es jetzt den Anschein hat, von den Goldsuchern in allen Richtungen unterminiert wird.
Als Jemma sich halb gehend, halb schlitternd über die glatte Lehmoberfläche der einstmals asphaltierten Straße bewegt, in die sich jetzt Bäche graben, fühlt sich der Grund gefährlich schwammig an. Einen kurzen Augenblick bricht die Sonne durch eine Wolkenlücke und lässt die Folgen des Unwetters grell aufleuchten.
Manotti & Curle’s Sprudelwasser gehört zu den glücklicheren Anwesen auf der Hauptstraße. Seine Verandapfosten stehen noch, und keins der Fenster ist zu Bruch gegangen. Am Fuß der Treppe jedoch, die zur Veranda hinaufführt, hat sich ein großer Krater aufgetan. Celestinas Ehemann, Carlo Manotti, steht über das Loch gebückt und füllt es mit Sägemehlsäcken und Kies. Er blickt auf und nickt Jemma mit vor Anstrengung gerötetem Gesicht zu. Sie erkundigt sich nach dem Schaden. Carlo lässt seinen Blick über die Hauptstraße mit ihren zerbrochenen Fensterscheiben und geknickten Verandapfosten schweifen. Und wo seine Frau wortreich ausholen würde, lacht er lakonisch und bitter. »Wir sind ziemlich gut weggekommen, würde ich sagen.«
Im Haus wischt Celestina den Fliesenboden. Jemma rafft ihre Röcke und entblößt ihre schlammigen Stiefel. »Soll ich die ausziehen?«
»Lass nur. Hier war vorhin eine einzige Schlammlawine. Und wir haben noch Glück gehabt.«
Celestina holt von der Theke den Siphon nach vorne und drückt einen Strahl sprudelndes Wasser in ein Glas mit etwas Sarsaparille. Sie und viele der Besitzer von Gästehäusern sind schon seit einiger Zeit in Sorge, dass die Mineralquellen wegen der Minen Schaden genommen haben. Das Unwetter hat ihre Befürchtungen nur noch verstärkt. Wenn nicht bald etwas getan werde, sagt sie, werde das einzige Sprudelwasser, das sie noch verkaufen könne, das aus diesen Sodabereitern sein. Aus einem Eimer voller Hagelschloßen in der Größe von Kricketbällen holt sie ein paar kleinere Kugeln heraus und lässt sie in das Getränk fallen. Als sie vom Himmel fielen, hatten einige davon einen Durchmesser von zehn Zentimetern und wogen ein Pfund.
Celestina zeigt auf die faustgroßen Dellen im Verandadach. Die Leute erzählten, dass es Vögel in der Luft erschlagen, Hühnern auf ihren Höfen den Schädel eingeschlagen und das Vieh Gehirnerschütterungen und schwere Blutergüsse erlitten habe. Ob Jemma bemerkt habe, dass die Erde nachts gebebt habe? Das sei das die Tunnel und Minen flutende Wasser gewesen. Man spreche davon, dass zwölf Bergleute ertrunken seien. Und unten am See stünden die meisten Häuser der Chinesen unter Wasser.
Jemma trinkt einen Schluck aus ihrem Glas und betrachtet dabei die sich auf und ab bewegenden Hagelschloßen. »Ich gehöre jetzt wohl auch zu den Obdachlosen.«
Celestina seufzt. Sie hatte die Unterhaltung von Mrs. Salter und Mrs. Raddle, die oben auf dem Berg wohnen, mitbekommen, als diese neulich über ihrem Devonshire-Tee saßen, und sich zusammengereimt, was passiert war. Dem Ton ihres Gesprächs nach zu schließen war es nur noch eine Frage der Zeit, wann auch Rutherford davon erfuhr.
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