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Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition)

Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition)

Titel: Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fiona Capp
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nächste Mal zu Besuch kam, brachte er ihr Blumen mit. Jemma sah in dem Geschenk die Reue über seinen Wutausbruch und vergaß daraufhin den Vorfall wieder. Sobald sie genügend Geld zusammenhatte, wäre sie weg. In Paris müsste sie keine Angst mehr um ihren Ruf haben. In Paris könnte sie die Frau sein, die sie sein wollte.
    Nach dem Tod ihres Vaters organisierte Marcus eine Polizeieskorte für den Trauermarsch von der Kirche zum Friedhof in Carlton und hakte sie kühn unter, während sie sich dem Grab näherten, als habe er Ansprüche auf sie. Er wusste von ihrer Absicht, in Paris studieren zu wollen, schien jedoch anzunehmen, dass ihre Pläne sich geändert hatten. Seine Dreistigkeit erstaunte sie, doch dann überlegte sie, wie warmherzig Erasmus ihn in ihrem Heim willkommen geheißen hatte und welche Bedeutung Marcus dem vermutlich beigemessen hatte.
    Hätte er, als sie an jenem Frühlingsmorgen sein Heiratsangebot ausschlug, sie beschuldigt, ihn in die Irre geführt zu haben, wäre das verständlich gewesen. Sie war seinen Gefühlen gegenüber tatsächlich taub gewesen. Aber anstatt seine Stimme zu erheben, senkte er sie und verlieh ihr eine derart eisige Schärfe, dass es ihr vorkam, als hielte er ihr ein Messer an die Kehle. Dann sei sie also tatsächlich eine Hure, sagte er. Sie schäkere mit Männern herum, spiele mit deren Gefühlen und erweise ihnen ihre Zuneigung, wenn ihr der Sinn danach stehe, um sie dann abzuschütteln, sobald sie ihrer überdrüssig sei. Er wisse von ihrem Liebhaber. Wenn sie eine dieser modernen Frauen sein wolle, welche die Werte der Gesellschaft verachteten, dann dürfe sie kaum erwarten, wie eine Dame behandelt zu werden! Ob sie nicht wisse, warf er ihr hin, dass ihr Vater sie ihm versprochen habe?
    Jemma wich zurück und klammerte sich zur Selbstverteidigung an ihren geschlossenen Sonnenschirm. Die Heftigkeit, mit der sich seine Verwandlung vom lächelnden Verehrer zum erbitterten Gegner vollzog, war so schrecklich, dass sie sie kaum fassen konnte. Immer mal wieder war bei ihm Zorn aufgeflammt, darauf war sie allerdings durch nichts vorbereitet. Sie hatte geglaubt, ihn zu kennen. Aber sie wusste überhaupt nichts.
    Dann jedoch kam genauso schnell wieder der alte Marcus zum Vorschein, entsetzt über das, was er getan hatte. Er sank ins Gras, klammerte sich an ihren Rocksaum und flehte sie um Verzeihung an.
    Jemma entriss ihren Rock seinem Griff. Und hörte, wie er ihr hinterherrief, während sie durch den Park floh.
    Als sie jetzt zu ihm auf seinem Pferd hochblickt, verspürt sie wieder diese Kälte. Und da er nun auch aufgehört hat zu lächeln, fallen ihr seine hohlen Wangen umso stärker ins Auge.
    Zu ihrer Erleichterung hebt er die Zügel, bereit weiterzureiten.
    »Wussten Sie, dass ich versetzt wurde? Ich denke, wir werden uns jetzt öfter begegnen.«
    Dann drückt er seine Absätze in die Flanken des Pferdes, schnalzt mit den Zügeln und setzt seinen Weg entlang der Hauptstraße in Richtung Mineralquellen fort.
    Jemma ist froh, dass Celestinas Laden ganz in der Nähe ist. Sie geht sofort auf ihr Zimmer im ersten Stock und schließt die Tür. Aber nichts vermag die Erinnerung an Markus O’Brien auszusperren, der von seinem Pferd auf sie herabblickt und sie mit seinen Augen verfolgt.

8
    Wenn sich Jemma auf eins freut, dann ist es ihr wöchentlicher Unterricht mit Mr. Voletta. An ihn zu denken erfüllt sie mit Freude und Ruhe: sein offenes, lächelndes Gesicht, seine Festigkeit und ruhige Kraft. Ihre Zuversicht wächst, dass er jemand ist, dem sie trauen kann, jemand, der keine Forderung an sie stellt und sie so akzeptiert, wie sie ist. Im Laufe der Wochen lässt die Förmlichkeit des Unterrichts nach und wird von anregenden Gesprächen voller Intimität und Neugier auf den anderen abgelöst.
    Immer öfter unterhalten sie sich über Europa, über die Berge, in denen er aufwuchs, über Locarno und die anderen Länder, die er gesehen hat. Er erzählt ihr von den Kunstwerken, die er auf seiner Reise nach Neapel besichtigte, den Fresken in den kleinen Dorfkirchen entlang seines Wegs. Als die Hafenstadt endlich erreicht und die Kühe im Schiff verladen waren, hatte er Zeit, zur Cappella del Pio Monte della Misericordia zu wandern, wo er auf Gemälde von Caravaggio und Luca Giordano stieß. Er behauptet hartnäckig, nur wenig von Kunst zu verstehen, aber aufgrund seiner Erzählungen steht für Jemma fest, dass er absichtlich Orte ausgewählt hat, wo die Werke der Meister zu

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