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Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition)

Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition)

Titel: Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fiona Capp
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ihn an. »Ich bin glücklich.« Sie weiß, dass er in Sorge ist, sie könnte bedauern, einen Milchbauern geheiratet zu haben. Dass er sich sorgt, weil das Melken eine große Belastung darstellt und es mühsam ist, bei Tagesanbruch aufzustehen. Dazu der Schlamm und die Jauche. In den ersten Monaten ihrer Ehe bestand Gotardo darauf, alles allein zu machen. Die Herde zu melken, die Kannen auf den Karren zu laden und so rechtzeitig auszuliefern, dass die Städter zu ihrem Porridge frische Milch und Sahne hatten. Dann musste gebuttert und der Käse durchgedrückt werden. Und dies war nur ein kleiner Teil dessen, was täglich an Arbeit anfiel. Es bekümmerte ihn auch, dass er ihr Atelier noch nicht fertiggestellt hatte, das bis jetzt nicht mehr als ein Gerüst, ein Holzrahmen war. Und Jemma hatte ihm seine Erschöpfung angesehen und gewusst, dass es so nicht weitergehen konnte.
    Eines Morgens, als er wie üblich im Morgengrauen aufstand, lag sie da und lauschte dem fernen Schlagen einer Landwirtschaftsmaschine am Strike-A-Light-Riff. Bald schon hörte sie den klagenden Zapfenstreich von Gotardos Horn, das gedämpfte Geläut der Kuhglocken, das die zum Melken hereinkommende Herde ankündigte, und dann das tiefe Grollen seiner Stimme, als er sie in den Stall pferchte. Sie warf die Steppdecke ab, zog sich rasch an und folgte seinen Schritten über die Wiese, wo der Nebel noch über dem frostigen Gras schwebte. Sie fand ihn in der Milchkammer, wo er wie ein zu groß gewachsenes Kind auf einem Schemel saß, die Stirn wie zum Gebet in die Flanke der Kuh gepresst, und mit seinen Händen zog und drückte, wobei seine kräftigen Schultern sich kaum bewegten. Sie beobachtete seine geschickten Finger und dachte dabei lächelnd an seine Berührung.
    Erstaunt blickte er auf, als sie den Stall betrat. »Was machst du denn hier?«
    »Ich bin Malerin, Gotardo, ich benutze meine Hände. Ich bin arbeiten gewohnt.«
    Und dann hatte er ihr gezeigt, wie es gemacht wurde: wie man eine gemolkene Kuh aus ihrem Melkstand trieb und die nächste namentlich hereinrief. Wie sie, wenn ihre Hände kalt waren, diese am Leib der Kuh wärmen konnte. Wie man mit festem Griff an den Zitzen zog und die Milch herausdrückte.
    Von ihrem Horst auf Wombat Hill kann Jemma sich sehen, wie sie am zeitigeren Morgen, gleich nach Tagesanbruch, in jeder Hand eine leere Milchkanne, über die vom Tau feuchten Steinplatten vom Haus zur Milchkammer läuft. Hört, wie der erste Milchstrahl scharf und hell gegen die Kannenwand schießt. Spürt, wie sie selbst zu ihrem Rhythmus findet, wie die Milch schäumt und sich der Ton verändert, je mehr der Eimer sich füllt. Sie lernt es, wenn auch langsam, doch die Kühe werden auf ihre Berührung nie so reagieren wie auf die von Gotardo. Manchmal spürt sie, dass sie vor ihr zurückzucken, als spürten sie ihre Ambivalenz, ihre Ungeduld, ihren Wunsch, wieder ins Bett zu gehen.
    Jemma beobachtet sich dabei, wie sie aus dem Stall kommt und dem Kiesweg zur Hintertür folgt, wo sie die Küche betritt und anfängt, den bereits zubereiteten Teig für das morgendliche Brot zu kneten. Während dieses backt, hilft sie Gotardo, die Milchkannen auf den Karren zu laden. Sie kehren ins Wohnzimmer zurück und nehmen rasch ein Frühstück zu sich, bevor er sich an die Auslieferung macht. Nachdem Gotardo gegangen ist, bleibt Jemma in der Küche und schält und kocht mit rotfleckigen Händen den letzten Schwung Tomaten ein, füllt sie in Gläser und versiegelt die Deckel. Manchmal reiht sie ihr Eingemachtes auf dem Fenstersims auf – die roten Tomaten und die grünen Paprika, die eingelegten Zitronen und Mandarinen –, nur, um es in der Morgensonne leuchten zu sehen.
    Und da kommt Celestina über den Weg, der zum Eingang führt – irgendwer schaut immer vorbei –, mit einem Korb voller Obst und Gemüse in ihrer Armbeuge. Sie setzen sich auf die Veranda und schnippeln Rüben und Karotten für die Minestrone, unterhalten sich über Celestinas Kinder und darüber, wie der Tearoom läuft, und über die bevorstehende Ausstellung in Melbourne mit modernen Kunstwerken aus Europa. Dann erkundigt Celestina sich auf ihre unverblümte Art, was Jemma vom Eheleben hält.
    Da sie allein mit ihrem Vater zusammengelebt hatte, war Jemma erst klar geworden, als sie selbst verheiratet war, dass ihr jegliche Erfahrung oder Vorstellung davon fehlte, wie eine Ehe aussehen könnte oder sollte. Und muss sich jetzt immer wieder fragen, wie ihre Eltern wohl miteinander

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