Sehnsucht und Erfüllung
Begeisterung machte seine nette Geste noch liebenswürdiger. Shanes Großzügigkeit kannte keine Grenzen. Er hatte bereits einen Kindersitz für das Baby besorgt, den sie gut gebrauchen konnten, als er sie und Brianna vor drei Tagen zum Arzt gefahren hatte.
“Ich habe auch noch ein paar Sachen zum Anziehen gekauft.” Er holte Strampler und Jäckchen in Rosa und Gelb aus einer Tüte. “Oh, und sieh dir das mal an. Das ist ein Tragebeutel für
onas.”
Kelly lächelte. Sie mochte es, dass er hin und wieder Ausdrücke aus der Sprache seines Stammes verwendete.
Ona
war ihr mittlerweile sehr geläufig.
Er justierte die Gurte, dann streifte er sie sich über die Schultern, sodass ihm der Kordbeutel vor der Brust hing. “Ich glaube, Brianna wird das gefallen. Babys mögen gern herumgetragen werden.”
Der Tragebeutel tat Shanes männlicher Ausstrahlung keinen Abbruch. Im Gegenteil, er gab ihm etwas Väterliches. Aber Shane Night Wind war mit der Vaterrolle ja vertraut. Sechs Monate lang war ein Junge namens Evan sein Sohn gewesen.
“Ich habe zwei Tragebeutel gekauft, einen für jeden von uns. Dann müssen wir nicht dauernd die Gurte verstellen.” Er sah ihr in die Augen. “Hier, der hellbraune ist für dich. Ich fand, die Farbe passt gut zu deinem Haar.” Und seiner war dunkelblau, was wiederum zu den Jeans passte, die er immer trug.
“Danke, Shane.”
Wieder überfiel Kelly das verbotene Verlangen, ihn zu küssen. Der innige Kuss, den sie vor über einer Woche getauscht hatten, war ihr noch lebhaft in Erinnerung.
Weil Brianna laut zu weinen anfing, wurden Kellys erotische Fantasien jäh unterbrochen. Gefolgt von Shane eilte sie ins Schlafzimmer und nahm ihre Tochter hoch.
“Ist sie nass?”
Kelly nickte, und nachdem Shane eine neue Wegwerfwindel geholt hatte, wechselte sie Briannas Windel.
“Bestimmt hat sie auch Hunger”, meinte Shane.
Wie selbstverständlich wir zusammen Brianna versorgen, dachte Kelly.
Nein, nicht ganz. Wenn sie Brianna stillte, saß Shane nicht neben ihr und schaute zu.
Als er das Baby hochnahm und ihr in die Arme legte, trafen sich ihre Blicke.
Gebannt sahen sie einander an. Wieder lag dieses sinnliche Knistern in der Luft.
Würde er bleiben, wenn sie jetzt ihr Kleid aufknöpfte? Würde er ihr beim Stillen zusehen wollen?
Ob er nachts mitbekam, wenn sie sich Brianna an die Brust legte? Er bewegte sich in diesen Augenblicken nie, sagte nie ein Wort. Es war zwar dunkel im Zimmer, aber die Kleine schmatzte beim Trinken recht laut.
“Ich gehe jetzt lieber”, sagte er.
Kelly nickte nur. Sie konnte ihn unmöglich bitten zu bleiben, sosehr sie sich das auch wünschte.
Kelly saß in Shanes Wohnzimmer und betrachtete aufmerksam ihre Mutter. Wieso kam sie ihr so verändert vor? Zu ihrer Überraschung benahm sie sich ganz wie eine begeisterte Großmutter. Sie war nicht mehr die Spur abweisend und verärgert wie vor Kellys Abreise nach Texas.
Tom und Shane hatten Kelly und ihre Mutter zum Abendessen eingeladen, und nun saßen sie alle vier gemütlich im Wohnzimmer und unterhielten sich. Genauer gesagt, Tom und Kellys Mutter unterhielten sich. Und lächelten.
Kelly stutzte. Wie oft hatten sich die beiden wohl schon angelächelt? Lieber Himmel, flirteten sie etwa miteinander? Ihre Mom und Shanes Dad?
Sie musste sich das einbilden.
Aber sie sahen gut zusammen aus. Linda, mit ihrer zierlichen Figur und ihrem blonden Haar und Tom mit seinen unverkennbar irischen Merkmalen und der kräftigen Statur.
Tom streckte die Arme nach Brianna aus, und als Linda ihm die Kleine reichte, trafen sich ihre Blicke. Schnell senkte Kelly den Blick. Wie oft hatten sie selbst und Shane sich ganz genauso angesehen? Sie fand die Situation furchtbar peinlich.
“Wie wär’s mit Kaffee oder Tee?”, fragte Shane, offenbar darauf erpicht, für eine Weile zu verschwinden.
Tom entschied sich für Kaffee, Linda für Tee.
Hastig stand auch Kelly auf. “Ich helfe Shane.”
Gleich darauf hantierten sie schweigend in der Küche, Shane kochte Kaffee, sie Tee.
Na großartig, dachte Kelly. Da hatten sie als gute Freunde im selben Bett geschlafen, und jetzt fiel ihnen absolut kein Gesprächsthema ein. Als Shane sich nach dem Einschalten der Kaffeemaschine abrupt umdrehte, stieß er gegen Kellys Arm. Der unerwartete Körperkontakt ließ sie beide zusammenzucken.
“Entschuldige.”
“Ist schon gut.” Mehr als gut. Sie vermisste solche zufälligen Berührungen sehr. Ohne Shane war das Blockhaus irgendwie
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