Sehnsucht und Erfüllung
beigestanden, er hatte den blonden Winzling anschließend auch nach Anweisung seines Vaters gebadet und ihn dann in eine Wolldecke gewickelt.
Als er Kelly das Baby in die Arme legte, trafen sich ihre Blicke. Dann trat er beiseite, und Kelly wickelte ihre Tochter aus, um alle Fingerchen und Zehen zu inspizieren und voller Begeisterung zu zählen.
Shane lächelte. Er hatte das vorhin ganz genauso gemacht.
Als Tom sich neben Kelly setzte, bedankte sie sich bei ihm für alles. Sie sah erschöpft, in ihrem Mutterglück jedoch bildschön aus.
“Hast du dir schon einen Namen überlegt?”, fragte Tom.
“Brianna Lynn.”
“Ein hübscher Name. Dein Grandpa wäre stolz auf seine Urenkelin.”
Lächelnd schaute Kelly ihr Töchterchen an. “Das glaube ich auch. Übrigens, eine tolle Windel.”
“Das war Shanes Idee.”
Ein wenig verlegen hob Shane die Schultern. Er hatte die weichste Decke, die er finden konnte, in gleich große Vierecke geschnitten. Und nun zierte ein buntes Muster Briannas kleinen Po. Mehrere Sicherheitsnadeln hielten das Ganze zusammen.
“Ich danke dir.” Shane war sich bewusst, dass Kelly damit nicht nur die provisorische Windel meinte.
Er suchte ihren Blick. “Keine Ursache.”
Unter dem Vorwand, die Schlafcouch im vorderen Zimmer herrichten zu wollen, ließ Tom Shane und Kelly allein.
“Bleibst du hier bei uns?”, fragte Kelly befangen.
Offenbar wollte sie, dass er neben ihr und dem Baby schlief. Das wollte er auch. Sehr sogar. “Bist du sicher?”
Als sie nickte, trat er näher. “Ich finde bestimmt etwas, was ich zum Schlafkörbchen umfunktionieren kann. Es ist eine alte Sitte bei den Komantschen, das Baby zwischen seine …” Er hielt inne. ‘Eltern’ konnte er schlecht sagen, denn er war ja nicht Briannas Vater. “… neben seine Mutter zu stellen”, fügte er schnell hinzu.
“Eine gute Idee.” Zärtlich drückte sie ihre Tochter an sich. “Ich werde ihr eines meiner T-Shirts anziehen, damit sie nicht friert.”
“Ich bin gleich wieder zurück.” Nach einigem Suchen fand Shane einen Präsentkorb, den der Verwalter Kelly als Entschuldigung für den verspäteten Hausputz geschickt hatte. Er entfernte den Henkel und polsterte den Korb mit den anderen Teilen der Decke aus.
Tom lag auf der Schlafcouch und las eine alte Zeitschrift. Es wurde zwar noch nicht dunkel, aber da der Strom weg war, war es dämmrig im Raum. “Ich habe einige Taschenlampen auf die Kommode gestellt. Und eine Petroleumlampe für später.”
“Danke, Dad.” Shane hielt das Körbchen hoch. “Für Brianna.”
“Ist sie nicht ein süßes Baby?”
“Das ist sie wirklich.”
Zu seiner Freude wartete Kelly schon ungeduldig auf ihn, die schlafende Brianna in den Armen. Sie legte sie in das Körbchen, ohne dass die Kleine dabei aufwachte. “Ich hatte schon Sorge, weil sie zu früh geboren ist, aber dein Dad sagte, die letzten paar Wochen würden nichts ausmachen.”
Shane setzte sich zu Kelly aufs Bett. “Sobald das Telefon wieder funktioniert, müssen wir deine Mutter anrufen.”
Kelly erwähnte Jason mit keinem Wort, wofür Shane dankbar war. Jason würde früh genug Anspruch auf Brianna erheben. Und Kelly hätte einen Vater für ihr Kind – den rechtmäßigen.
Als Kelly erschöpft einschlief, lauschte Shane auf den Regen, doch es waren nur die gleichmäßigen Atemzüge des Neugeborenen zu hören.
Er lächelte. “He, kleines
ona”
, flüsterte er, und strich Brianna sanft über den Rücken. “Du hast den Sturm vertrieben.” Und sie hatte einen Sonnenstrahl in sein einsames Herz gebracht.
Er sah Kelly an. Auch sie war wie der Sonnenschein. Die hübsche Kelly mit den Sommersprossen und dem weizenblonden Haar. Er würde die beiden vermissen – Mutter und Tochter. Die perfekte kleine Familie, die nicht seine war.
Stunden später wachte Shane auf und hörte, dass Kelly ihre Tochter hochnahm. Brianna hatte nicht geweint, aber sie war auch noch nicht gestillt worden.
Er bekam sofort Schuldgefühle, weil er anwesend war.
Kelly raunte der Kleinen sanfte, zärtliche Worte zu.
Shane schloss die Augen. Würde Kelly ihn um Hilfe bitten, falls sie welche brauchte? Aber warum sollte sie Hilfe brauchen? Mütter stillten ihre Kinder seit Urzeiten. Sie folgten ihrem Instinkt.
Er versuchte, sich nicht vorzustellen, wie Kelly Brianna an die Brust legte. Vergeblich. Wie gern hätte er das Schlafkörbchen weggenommen und direkt neben Kelly an dieser intimen Aktion teilgehabt. Doch er hatte kein
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