Sehnsucht und Erfüllung
KAPITEL
Shane saß mit Kelly, Tom und Linda am Tisch und wartete darauf, dass seine Mutter, die sich unbedingt allein um alles kümmern wollte, das Essen servierte.
“Habe ich schon erzählt, dass mein Freund Musiker ist?”, fragte sie beiläufig.
“Ja, Flötist, richtig?” Shane wurde es langsam müde, etwas über David Midthunder zu hören, denn seine Mutter hatte schon mindestens dreimal das Thema auf ihren Freund gebracht.
“Er sieht toll aus. Und ist jung.”
Na, wunderbar. Konnte sie sich keinen Mann passenden Alters suchen? Die Vorstellung, dass seine Mom ein Verhältnis mit jemandem hatte, der vom Alter her sein Bruder sein könnte, gefiel Shane gar nicht.
Grace stellte eine Schüssel Salat auf den Tisch. “Wer sitzt eigentlich hier?”, fragte sie und zeigte auf den leeren Stuhl zwischen Tom und Linda.
“Du, Mom.” Sie war die einzige Person, die noch stand. Warum benahm sie sich so merkwürdig?
Grace verzog das Gesicht. “Hier sollte Linda sitzen. So können Tom und ich uns beide mit ihr unterhalten.”
Linda hatte nichts dagegen und rückte auf. Tom, der nun direkt neben ihr saß, trank einen großen Schluck Wasser.
Shane schaute zu Kelly hinüber. Sie hielt den Blick gesenkt und verkniff sich ein Grinsen.
Gütiger Himmel. Vor lauter Unbehagen wegen des jungen Freundes seiner Mutter begriff er erst jetzt. Grace spielte die Kupplerin und gab Linda zu verstehen, dass sie auf Tom keine Ansprüche erhob.
Minuten später hatte sie Fleischbällchen in Sahnesoße mit Fettuccine und gefüllten Peperoni als Beilage aufgetragen. Ihre Küche war ebenso ausgefallen wie ihre Kleidung, aber für Shane war es eine willkommene Abwechslung zu den schlichten Gerichten, die er und sein Vater sich normalerweise zubereiteten.
“Erzähl uns etwas über die bevorstehende Veranstaltung, mit der du Geld für deine Tiere auftreiben willst”, bat ihn seine Mutter.
“Da gibt es nichts weiter zu erzählen. Wir machen ein Barbecue wie immer.”
Grace verdrehte die Augen. “Kannst du das Ganze nicht ein wenig aufpeppen? Es künstlerischer gestalten?”
“Wie wär’s mit einer Kunstauktion?”, warf Linda ein. “Es gibt doch sicher Künstler, die Tierbilder malen und ihre Werke gern mal im Gehege ausstellen würden.”
Grace klatschte in die Hände. “Jetzt kommen wir der Sache schon näher. Das ist eine wunderbare Idee. Nicht wahr, Tom?”
“Ja.” Er sah Kellys Mutter an und lächelte. “Verstehen Sie denn etwas von Kunst?”
“Nein, aber meine Tochter.”
Alle sahen Kelly an.
“Das … stimmt nicht”, stotterte sie nervös. “Nicht wirklich.”
“Doch, du verstehst etwas davon”, widersprach Shane leise. Er fand Kelly heute besonders hübsch. Ihre pfirsichfarbene Bluse betonte ihren zarten Teint, und ihr Gürtel brachte ihre schon wieder schlanke Taille zur Geltung. “Du bist eine richtige Künstlerin. Deine Zeichnungen von Bono sind so hervorragend, dass ich gern T-Shirts und Becher damit bedrucken möchte. Wir müssen ja noch den Souvenirshop bestücken, ehe wir Spenden sammeln.”
Kelly suchte seinen Blick. “Ich fühle mich geehrt, Shane. Diese Skizzen bedeuten mir viel. Bono ist etwas ganz Besonderes.”
Und du auch, hätte er ihr am liebsten zugeflüstert.
Plötzlich war das Gespräch in vollem Gange. Grace übertrug Kelly die Organisation der Kunstauktion und sich selbst die einer Verkaufsausstellung für Schmuck. “Ich bin nämlich Schmuckdesignerin”, erklärte sie Kelly.
An einem einzigen Nachmittag wurde aus einem texanischen Grillfest zum Spendensammeln ein texanisches Festival, und alle Anwesenden wirkten begeistert an der Gestaltung mit.
Als aus dem Gästezimmer Briannas Weinen zu hören war, entschuldigte sich Kelly und holte ein Babyfläschchen aus dem Kühlschrank.
“Hast du Brianna denn schon entwöhnt?”, fragte Shane irritiert, denn er war doch in der ersten Woche nachts heimlich Zeuge gewesen, wie Brianna gestillt wurde.
“Ich gebe ihr nur gelegentlich Fertignahrung. Dr. Lanigan findet das in Ordnung. Es ist einfacher für mich, wenn wir nicht allein sind, und bis ich wieder zu arbeiten anfange, ist sie an die Flasche gewöhnt.”
Kelly verließ die Küche, um sich um ihr Töchterchen zu kümmern, und Shane rieb sich nachdenklich das Kinn. Welcher Mann fragte schon eine junge Mutter nach ihren Stillgewohnheiten? Die Antwort lag auf der Hand. Ein Mann, der gern Vater wäre. Sehr gern.
Vier Tage später stand Kelly vor dem antiken Standspiegel und
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