Sehnsucht unter suedlicher Sonne
außergewöhnliche Frau zu sein“, antwortete sie diplomatisch. Derryl sah zweifellos gut aus, aber neben Bretton wirkte er blass. Es war bestimmt nicht leicht für ihn gewesen, neben einem so starken Bruder aufzuwachsen.
„Damit ist nicht viel gesagt“, spottete er. „Wollen Sie sich vor der Antwort drücken?“
„Ich war nur zehn Minuten bei ihr“, wandte Genevieve ein.
Derryl lachte unangenehm. „Und sie fand Sie natürlich perfekt … die brave, folgsame Paukerin.“
Eine Paukerin, die sich sehr wohl in eine Schwanenprinzessin verwandeln könnte, dachte Bretton. Er spielte mit seinem Weinglas und hing seinen Gedanken nach. Zu gern hätte er Genevieve die Brille abgenommen und diese eingesteckt. Ihm war klar, dass das hässliche Ding keine Sehhilfe war, sondern eine ganz andere Bewandtnis hatte. Aus welchem Grund war die junge Frau wirklich hergekommen? Irgendetwas führte sie im Schilde, da gab es für ihn keinen Zweifel.
Sammelte sie Informationen? War sie vielleicht eine Journalistin, die undercover arbeitete? Oder eine Autorin, die Stoff für ein eigenes Buch suchte? Für jemanden, der einen Mysterythriller schreiben wollte, bot sich Djangala als Ort der Handlung geradezu an, und der wache Blick dieser meergrünen Augen war ihm nicht entgangen. Früher oder später würde er sie entlarven. Sie spielte das hässliche Entlein und verbarg absichtlich ihre strahlende Schönheit.
Sie hatte schlanke, nicht übermäßig zarte Hände. Er hätte wetten können, dass sie viel besser Klavier spielte, als sie behauptete. Der Steinway-Flügel im großen Wohnzimmer, der erhebliche Kosten verursacht hatte, musste endlich wieder benutzt werden. Hester wagte nicht einmal mehr, die Tasten zu berühren. Sie hatte Nori nur den Auftrag gegeben, dort regelmäßig Staub wischen zu lassen.
„Wann beginnen Sie mit der Arbeit?“, wandte er sich jetzt an Genevieve.
„Pünktlich um neun Uhr … in der Bibliothek.“
„Tante Hester wird Sie schikanieren“, warnte Derryl sie sogleich. „Sie ist eine Tyrannin.“
„Wir wissen beide, dass Genevieve ihr gewachsen ist“, erklärte Bretton. Diese Miss Grenville fesselte ihn mehr als ihm lieb war. Dabei konnte er es sich nicht leisten, seine Zeit mit aussichtslosen Affären zu verschwenden. Falls sie die Absicht hatte, ihre Nase in Familienangelegenheiten zu stecken, ging es bestimmt um die Vergangenheit. Da war es ein Trost, dass Hester kein einziges Geheimnis preisgeben würde, nicht einmal auf dem Totenbett.
Der zweite Gang wurde aufgetragen: geröstete Entenbrust, in Scheiben geschnitten, auf einem Bett aus Tomaten und Kräutern.
„Nori ist wirklich begabt“, bemerkte Genevieve, nachdem sie das zarte Fleisch gekostet hatte. „Sie arrangiert kunstvoll Blumen, kocht beneidenswert gut und weiß alles stilvoll anzurichten.“
„Sie ist eine Frau mit Kultur“, bestätigte Bretton. „Wir können uns glücklich schätzen, dass sie bei uns ist. Sie hat Sinn für schöne und kostbare Dinge. Das war bei unserem Personal bisher nicht üblich.“
„Wie sie sich in Steve verlieben konnte, werde ich nie begreifen“, meinte Derryl verächtlich. „Sie muss verrückt gewesen sein. Schließlich ist er nur ein einfacher Landarbeiter, während ihr Vater Vorstandsvorsitzender eines japanischen Elektronikkonzerns war. Sie hätte zwischen vielen Bewerbern wählen können, die besser zu ihr gepasst hätten.“
„Wäre es dann ihre Entscheidung oder die ihres Vaters gewesen?“, mischte sich Genevieve in das Gespräch ein.
„Eine kluge Frage“, meinte Bretton. „Und sprich bitte nicht so laut, Derryl. Nori könnte hereinkommen, und wir wollen sie nicht kränken.“
„Schon gut, schon gut …“ Derryl reagierte wie ein trotziges Kind. „Das sagt jemand, der nie einen Fehler macht oder andere beleidigt. Eine Japanerin hatten Sie wohl nicht bei uns erwartet, oder? Dabei kommen immer mehr Touristen aus Noris Land zu uns. Sie sind verrückt nach dem Outback …“
„Bestimmt nach der Weite, dem fernen, endlosen Horizont“, ergänzte Genevieve. „Das kennen sie nicht aus ihrer Heimat.“
„Im Gegensatz zu ihnen haben wir einen ganzen Kontinent für uns … auch wenn er in vielen Gegenden menschenleer ist.“ Derryl machte keinen Hehl daraus, dass er sich nach den Lichtern der Großstadt sehnte.
„Unsere einzigartige Tierwelt nicht zu vergessen.“ Bretton wandte sich erneut Genevieve zu. Wieder fiel ihm ihr schöner, fein geschwungener Mund auf. Sie schien immer
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