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Sehnsucht unter suedlicher Sonne

Sehnsucht unter suedlicher Sonne

Titel: Sehnsucht unter suedlicher Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Way
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direkte Art störte Genevieve nicht. Sein Bruder irritierte sie viel mehr. Wahrscheinlich konnte er seinen Charme an- und abstellen, wie er wollte. Soweit sie sich erinnerte, hatte er sich bei Liane Rawleigh keine große Mühe gegeben.
    „Aber Sie haben doch bestimmt einen Freund.“ Derryl musterte sie ungeniert. „Oder sind Sie hergekommen, um sich hier einen zu angeln?“ Er warf seinem Bruder einen vielsagenden Blick zu. „Unser Bret bricht alle Herzen.“
    „Schlagen Sie sich das aus dem Kopf, Derryl. Nichts liegt mir ferner, als hier einen Mann zu suchen.“
    „Das behaupten Sie, aber ich kenne kein Mädchen, das nicht heiraten möchte. Warum vernachlässigen Sie Ihr Äußeres so, Gena? Sie haben eine fantastische Figur und sollten Kontaktlinsen tragen. Diese Brille ist eine Beleidigung fürs Auge und schrecklich unmodern.“
    „Dürfte ich dich bitten, endlich aufzuhören, Derryl?“, mischte sich Bretton ungehalten in das Gespräch ein. „Ich dulde nicht, dass du Genevieve in Verlegenheit bringst.“
    Derryl wollte sich vor Lachen ausschütten. „Aber sie ist gar nicht verlegen … oder, Gena? Sie nimmt alles ganz gelassen hin.“
    Das hatte inzwischen auch Bretton festgestellt.
    Als Dessert standen Crêpes mit Grand Marnier und Ricotta mit Mascarpone zur Auswahl. Genevieve und Bretton entschieden sich für Erstere. Derryl nahm beides.
    Genevieve hätte ihn nach Aussehen und Verhalten bedeutend jünger geschätzt. Vermutlich war er in seiner Entwicklung durch den dominierenden Bruder gebremst worden. Er kam aus einer steinreichen Familie und hatte nie irgendetwas entbehrt. Was er vom Leben erwartete, stand ihm seiner Meinung nach zu. Während des ganzen Essens war seine mühsam unterdrückte Wut, die teils ihm selbst, teils seinem Bruder galt, spürbar gewesen. Zwischen den beiden herrschte eine Rivalität, wie sie oft bei Geschwistern zu beobachten war. Da waren einerseits Liebe und Bewunderung, andererseits Eifersucht und Hass im Spiel.
    Beim Kaffee fragte Derryl, ob er am kommenden Wochenende einige Freunde einladen dürfe. Genevieve hatte den Eindruck, dass er es ihretwegen tat.
    „Warum fragst du überhaupt?“ Bretton schien sich immer mehr über seinen Bruder zu ärgern.
    „Weil du meine Kumpel für Idioten hältst.“
    „Das hast du gesagt, Derryl.“ Bretton sah Genevieve an. „Sie dürfen gern auf dem großen Flügel im Wohnzimmer spielen. Er steht unbenutzt da.“
    „Um Himmels willen, Bret!“, rief Derryl entsetzt. „Soll Gena da weitermachen, wo Tante Hester aufgehört hat? Wenn sie noch Jazz oder Blues zum Besten gegeben hätte …“
    „Sie sind kein Freund von Musik?“
    „Ich liebe sie“, verteidigte er sich gekränkt. „ Meine Art von Musik.“
    „Und wie steht es mit Ihnen, Bretton?“ Genevieve fühlte sich durch die Gesellschaft der unterschiedlichen Brüder so angeregt, dass sie beinah ihre Rolle vergaß.
    Das lag ganz in Brettons Absicht. Wer war diese Genevieve Grenville wirklich? Irgendwie glaubte er, diese Frau zu kennen – weitaus besser als Liane, die ihn betrogen hatte und sich einbildete, ungestraft davonzukommen.
    „Von mir aus hätte Tante Hester Tag und Nacht spielen können“, meinte er. „Unsere Mutter war ebenfalls eine begabte Pianistin. Der Flügel gehörte ihr. Dad hatte ihn für sie gekauft.“
    „Für die Mutter, die uns verlassen hat“, fuhr Derryl heftig dazwischen. „Sie packte einfach ihre Sachen und verschwand … mit George Melville, dem guten Hausfreund.“
    Falls die Ehe unglücklich war, muss sie vorher sehr gelitten haben, dachte Genevieve. Derryl hatte den Verlust, wie es schien, immer noch nicht verwunden. Wie mochte Bretton darüber denken?
    Er sah seinen Bruder gequält an und sagte: „Hör endlich auf, Derryl! Dad hätte sie nie fortgehen lassen.“
    „Wer konnte schon gegen seinen Willen handeln?“, fragte Derryl bitter. „Übrigens wirst du ihm mit jedem Tag ähnlicher.“
    „Dann kannst du ja dankbar sein, dass ich dir noch so viel Freiheit einräume. Dad hätte das nicht getan. Doch das alles beantwortet nicht meine Frage. Würden Sie den Flügel gern benutzen, Genevieve, solange Sie bei uns sind?“
    „Antworten Sie nur, Gena.“ Derryls Wut verwandelte sich in Hohn. „Sie sehen ganz so aus, als wären Sie nicht abgeneigt.“
    „Ja“, erklärte sie und sah wieder Bretton an. Der Blick seiner dunklen Augen raubte ihr jede klare Überlegung. „Allerdings bin ich ganz aus der Übung.“ Das stimmte nicht. Sie hatte

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