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Sehnsucht

Sehnsucht

Titel: Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang R. Hantel-Quitmann
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Gefühle der Selbstwirksamkeit und des Selbstwertes, sondern auch Lebensziele und Wunschträume und damit erste Vorformen kindlicher Sehnsüchte. Wenn sie nah am Kind orientiert entstanden sind, dann gehören sie zu den individuellen Seiten des Kindes, wenn sie ihren Ursprung eher in den nicht befriedigten Sehnsüchten der Eltern haben, dann sprechen wir von Delegationen.
    Delegationen sind ebenso vielfältig wie die nicht verwirklichten Sehnsüchte, die in ihnen enthalten sein können. Sie lassen sich in verschiedene Ebenen unterteilen: die der Bedürfnisse und Triebe, die der Identität und der Person, und die der Ideale und Werte. Auf der Ebene der Bedürfnisse und Triebe können dies sexuelle Affären und Abenteuer sein, aber auch ein allgemeiner, ungestillter Hunger nach Leben und Liebe. In Bezug auf die Identität und die Person kann es der elterliche Auftrag an die Kinder sein, auf ganz alltägliche und praktische Weise bei der eigenen Lebensbewältigung Hilfestellung und Unterstützung zuleisten. Eine Delegation auf moralischer Ebene kann darin bestehen, die elterlichen Werte zu leben und zu verteidigen und sich damit stets loyal zu den eigenen Eltern zu verhalten. Und eine Delegation im Dienste der elterlichen Ideale bringt die Kinder auf wundersame Weise dazu, erfolgreiche Sportler, anerkannte Wissenschaftler, begnadete Künstler oder einfach berühmte Menschen zu werden. Die Leistungen dieser delegierten Kinder sind manchmal nur einmalig, ein einziger Weitsprung, ein grandioser Sieg, eine neue Entdeckung oder ein großes Kunstwerk. Und danach versuchen sie durch ungeheure Anstrengungen diesen einmaligen Erfolg zu wiederholen, diesen Kick wieder zu erreichen.
    Da die unerfüllten Sehnsüchte der Eltern aber meist nicht zum Leben der Kinder passen, weil es einfach nicht ihre eigenen sind, scheitern viele Kinder an ihrer Verwirklichung. Manchmal erringen sie einen kurzen Ruhm als Wunderkind, der sich aber weder wiederholen noch langfristig halten lässt. Der amerikanische Schriftsteller Truman Capote galt sein ganzes Leben lang als ein solches Wunderkind. Er war ein zutiefst narzisstischer Selbstdarsteller, der sich überall und immer selbst inszenierte, am liebsten mit den Berühmtheiten seiner Zeit. Sein Vater Arch Persons war ein Hochstapler und Krimineller, seine viel zu junge Mutter Lillie Mae eine junge Schönheit mit Karriereambitionen. Beide hatten das große Bedürfnis etwas Besonderes zu sein und ihrem Leben eine Bedeutung zu geben. Truman Capote hieß eigentlich Truman Streckfus Persons, war recht klein, sah aus wie ein Mädchen und hatte die Stimme eines Robbenbabys . Beide Eltern wollten mehr sein, als sie jemals sein konnten und trennten sich als ihr Sohn noch klein war. Er wurde dann von einer Ersatzfamilie zur nächsten geschoben. Sein Vater hatte erst wieder Kontakt zu seinem Sohn aufgenommen, als dieser reich und berühmt war, um ihn um Geld anzupumpen. Truman Capote hat niemals eine liebevolle Familie kennengelernt, und vielleicht faszinierte ihn deshalb später die Ermordung einer vierköpfigen Familie in der kleinen Stadt Holcomb in Kansas so sehr, dass er darüber das Buch Kaltblütig (In cold blood) schrieb. Er hatte jahrelang für dieses Buch recherchiert und die leitenden Untersuchungsbeamten bestochen, damit er unzählige Gespräche mit den Tätern im Gefängnis führen konnte, bevor sie hingerichtet wurden. Zuvor hatte er 1958 das herrliche, leichte und zugleich melancholische Buch Frühstück bei Tiffanys geschrieben, das seinen Ruhm als Wunderkind begründete und deren Protagonistin Holy Golightly eine ebensolche Kunstfigur war wie er selbst. In seinem Fall haben sich nicht nur die Eltern nach Bedeutung gesehnt, auch er selbst hat dies sein Leben lang getan. Als er mit nicht einmal 60 Jahren ohne erkennbare Todesursache starb, galt er als tragisches, alt gewordenes Wunderkind.
    Für die betroffenen Kinder ist ihr Leben als Wunderkind häufig ein Dilemma. Sie verlieren die Unschuld ihrer Kindheit, dürfen nicht mehr so sein, wie sie sein möchten, werden einseitig für ihre besonderen Begabungen oder Leistungen gelobt, müssen auf vielfältige andere Interessen verzichten und für die Eltern permanent eine Leistung vollbringen. Aber sie werden auch gefeiert und geehrt und erhalten täglich Tonnen an narzisstischer Extrazufuhr. Wenn das Kind von Anfang an gewohnt ist, immer

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