Sehnsucht
nächste Schritt in der Logik der Liebessehnsucht ist das symbolische Versprechen der Partner in der Verlobung und Heirat. Die Verlobung wird durch Ringe symbolisiert, die Zeit des Prüfens erscheint beendet, die Hochzeit wird geplant. Solche Prüfungen der Partnerwahl können mehr oder weniger symbolisch ausfallen. Man kann probeweise zusammenziehen, eine gemeinsame Kasse machen, sich ein Tier anschaffen oder auf groÃe Reisen gehen, immer stecken dahinter Prüfungen der eigenen Gefühle, des Partners und der Partnerschaft. Bedeutsam bei der Partnerwahl ist manchmal weniger die Wahl des einen, als vielmehr der Ausschluss aller anderen. Diese Exklusivität wird im Zeitalter des Internets immer bedeutsamer, denn nur ein kleiner Versuch in einer Online-Partnerschaftsbörse zeigt jedem Suchenden, dass sich im Umkreis von wenigen Kilometern angeblich Hunderte von potentiellen Partnern finden, die eine 80-%ige Ãbereinstimmung mit den eigenen Persönlichkeitsmerkmalen mitbringen. Wer also heute noch heiratet, muss wahrlich geprüft haben, ob Herz zu Herz sich findet.
Eine eher direkte Art der Prüfung praktizieren dagegen die Warao-Indianer im Regenwald Venezuelas. Dort, an der Flussmündung des über 2000 km langen Orinoko in den Atlantik, leben die 30000 Warao-Indianer in friedlichem Einklang mit der Natur ohne die Segen der Zivilisation, also ohne Strom oder Fernsehen, aber auch ohne Kriminalität. Will ein junger Warao-Indianer eine Frau heiraten, so muss er für ein Jahr in das Haus ihrer Familie einziehen und sich dort einer langen Prüfung unterwerfen. In dieser Zeit muss er nicht nur der Familie gefallen und von ihr angenommen werden, er muss auchein Haus und ein Kanu für sich und seine Familie bauen. Das Haus muss als Pfahlbau gebaut werden, damit die Familie auch in der Regenzeit im Delta trocken bleibt und das Kanu dient der Fortbewegung und dem Fischen in einem Land ohne StraÃen. Wenn er nicht das Wohlwollen der Brautfamilie gewinnt, kann er jederzeit rausgeschmissen werden und die Hochzeit ist damit abgesagt.
Eine Hochzeitsfeier ist auch bei uns ein hochsymbolischer und emotionaler Akt, bei dem das äuÃere Szenario eher nebensächlich und die mit den Handlungen verbundenen Bedeutungen umso wichtiger sind. Verdichtet in einem einzigen Akt findet dieses symbolische Versprechen in der Hochzeitfeier statt und kulminiert in dem Treuegelöbnis Bis dass der Tod uns scheidet . Die Insignien der Liebe sind ebenso wichtig: das Hochzeitskleid, der Schleier, die Blumen, die Ringe. Alle organisatorischen Fragen rund um die Hochzeit können dabei zu Grundsatzfragen werden, weil sie auf hintergründige Weise Familientraditionen berühren: Wird zu Hause, bei den Eltern oder Schwiegereltern, im Restaurant oder im Festsaal, im Hotel oder gar einem Schloss gefeiert? Was kostet die Feier, wer bezahlt sie? Wird neben dem Standesamt auch kirchlich geheiratet, wie viel Religion ist im Spiel, wechselt einer der beiden Partner wegen der Heirat seine Religionszugehörigkeit? Wer nimmt wessen Namen an, oder behalten beide ihre Namen? Und wie lautet dann der Familienname, den die Kinder erhalten? Wer wird zur Hochzeit eingeladen und vor allem wer nicht? Wie soll die Sitz- und Tischordnung sein, wer sitzt neben wem und wer sitzt weiter weg vom Brauttisch? Wird ein Cateringservice bestellt oder gibt es ein Menu im Restaurant? Wie ist der Ablauf der Hochzeitsfeier geplant, wer darf wann eine Rede halten und wie kann man andere an einer solchen Rede hindern? Wird bis in den Morgen getanzt? Gibt es eine Mitternachtstorte oder eher eine Suppe? Ist der Schnaps in der Getränkepauschale enthalten?
Jede dieser Fragen kann hochbedeutsam und emotional aufgeladen sein, keine erscheint unwichtig, und der Streit weit vor der Hochzeit erscheint mehrfach unausweichlich. Das Paar sollte bereits viele Konflikte ausgestanden haben und fit in der Erarbeitung von Lösungen sein, um eine Hochzeitsplanung von der verliebten Idee bis zur Durchführung auszuhalten. Auch wenn die Familien des Brautpaares aus all dem herausgehalten werden können, ihre Traditionen, Einstellungen, Meinungen, Wertungen oder Erfahrungen sind durch die Hochzeitspartner vertreten und dabei findet ein stiller Machtkampf statt, der nur eine leise Vorahnung darstellt in Bezug auf die noch zu erwartenden Konflikte rund um das geplante Kind. Denn der Kinderwunsch ist neben der Liebe das Hauptmotiv für die Heirat
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