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Sehnsuchtsland

Sehnsuchtsland

Titel: Sehnsuchtsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inga Lindström
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kleinen Kind. Manchmal benahm er sich, als wäre er sechzig statt dreißig. Und natürlich musste es auch gleich ein Bischof sein. Wenn schon gute Beziehungen, dann unbedingt auf höchster Ebene.
    Linda glitt vom Sofa und kniete sich vor den niedrigen Couchtisch. »Sag mal, musst du eigentlich immer alles planen?« Sie stützte die Ellbogen auf und schaute nachdenklich zu Nils auf. »Hast du denn nie Lust, mal ganz spontan zu sein und was Verrücktes zu tun?«
    »Wir können es ja folgendermaßen machen«, begann Nils, während er sich ihr gegenüber vor den Couchtisch hockte, bis sie dieselbe Augenhöhe hatten. »Du bist für die ausgefallenen Ideen zuständig, und ich dafür, dass sie nicht ausgeführt werden. Wir wären ein super Team.«
    Mit leiser Frustration überlegte Linda, dass er in diesem Punkt vielleicht gar nicht mal so Unrecht hatte.

    *

    Vor dem Waldrand ließ Henrik den Wallach in einen verhaltenen Trab fallen und schließlich im Schritt gehen, als er die Baumgrenze erreichte. Er hatte gedacht, dass er den Kopf frei kriegen würde, wenn er Fjäril ordentlich bewegte, doch er hatte sich geirrt. Das Ende einer Ehe, und sei sie noch so unerfreulich, ließ sich nicht mal eben mit einem ausgedehnten Ausritt abarbeiten. Gunilla hatte das Haus verlassen, und die Sorgen rissen seitdem nicht ab. Die meisten Gedanken machte Henrik sich um Lennart. Der Alte aß kaum noch etwas und saß die meiste Zeit des Tages stumm in seinem Büro. Er ließ das Telefon klingeln und hatte alle Kundentermine abgesagt. Zu Hause hockte er zusammengesunken und mit teigig bleichem Gesicht im Lehnstuhl vor dem Fenster und starrte hinaus aufs Meer, oder er lief wie ein Getriebener mit den Hunden durch den Wald, nur um anschließend völlig erschöpft und mit blutunterlaufenen Augen zurückzukommen.
    Frida lag Henrik ein- ums andere Mal in den Ohren, dass der gnädige Herr bald vor Kummer sterben werde, wenn nicht etwas geschah, und wie glücklich sie sei, dass die gnädige Frau all das nicht mehr erleben müsse.
    Henrik hatte in bitterem Sarkasmus gedacht, dass er selbst ebenfalls einiges darum gegeben hätte, diesen ganzen Mist nicht erleben zu müssen, und er war mehr als einmal drauf und dran gewesen, einfach alles hinzuschmeißen und woanders sein Glück zu versuchen. Er war ein international renommierter Designer und hatte alle wichtigen Preise abgeräumt, die im Schiffsbau zu holen waren. Allein im vergangenen Jahr hatte er ohne sein Zutun drei verschiedene Angebote bekommen, eins aus Rotterdam, eins aus Hamburg und eins aus Sydney. Wenn er wollte, könnte er morgen irgendwo weit weg von hier das Doppelte verdienen.
    Doch das konnte er Lennart nicht antun. Die meisten Probleme des Alten waren vermutlich hausgemacht und gingen mehr oder weniger auf sein eigenes Konto, man musste sich ja nur mal ansehen, wie er mit seinen Töchtern umging. Aber wenn Henrik ihn jetzt auch noch im Stich ließ, wäre das Lennarts Todesurteil. Greta hatte gestern erst durchblicken lassen, wie ernst es war, auch wenn sie aufgrund ihrer Schweigepflicht nichts Konkretes hatte sagen können.
    Aus dem Wald war Hundegebell zu hören, und gleich darauf Lennarts Stimme. »Ah, ihr zwei Schönen, wenn ich euch nicht hätte!«
    Henrik hörte die Liebe, die aus diesen Worten klang. Von jähem Mitleid erfüllt, lenkte er Fjäril in Lennarts Richtung. Er hoffte, selbst nie diesen Grad von Einsamkeit zu erreichen, dass nur noch Tiere ihn mochten.
    Gleich darauf unterdrückte er ein ironisches Grinsen. Genau genommen unterschied er sich nicht allzu sehr von Lennart. Es gab niemanden, der ihm wirklich treu ergeben war. Außer einem Wallach mit einem ziemlich merkwürdig gescheckten Fell.
    Lennart tauchte zwischen den Bäumen auf, ein Fernglas vor der Brust und das Gewehr über der Schulter. Abermals verkniff Henrik sich ein Grinsen. Lennart gab sich gern martialisch und fuchtelte ständig mit seiner Büchse herum, aber wenn es ans Schießen ging, drückte er sich. Soweit Henrik informiert war, stammten sämtliche Jagdtrophäen im Thorwaldsson’schen Anwesen noch aus den Waidmannszeiten von Lennarts Vater.
    Henrik saß ab und führte Fjäril am Zügel. » Hej , Lennart! Wie geht es dir?«
    »Dasselbe müsste ich dich fragen.« Lennart starrte düster über Henriks Schulter hinweg. »Gunilla hat uns beide sitzen lassen.«
    Henrik zuckte die Achseln. Für Lennart bedeutete es eine Art Weltuntergang, für ihn selbst war es indessen definitiv weniger schlimm, als er

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