Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sehnsuchtsland

Sehnsuchtsland

Titel: Sehnsuchtsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inga Lindström
Vom Netzwerk:
gelungen, sich an das großbürgerliche, ein wenig düstere Ambiente des Hauses und vor allem des Speisezimmers zu gewöhnen. Die großformatigen dunklen Gemälde, die schweren Holzdecken und die wuchtigen, mit Schnitzereien überladenen Vitrinen und Kredenzen ließen immer wieder das Gefühl in ihm aufkommen, sich in einem Museum zu befinden.
    All das war natürlich Lennarts ganz persönlicher Geschmack, schließlich war er der Eigentümer des Hauses und der Familienvorstand. Davon abgesehen hatten Gunilla und Henrik sich die Wohnung, die sie im ersten Stock bewohnten, ganz nach ihren eigenen Vorstellungen eingerichtet. Aber dessen ungeachtet glaubte Henrik manchmal, dass es in diesem Haus wesentlich gemütlicher wäre, wenn die Menschen hier ein wenig mehr Spaß miteinander hätten.
    »Keine Angst, es wird keine lange Ansprache«, sagte Lennart. »Ich mache es ganz kurz. Auf Anraten meiner Ärztin...«, er hielt inne und zwinkerte Greta zu, die links neben ihm saß, »...habe ich beschlossen, mich ab sofort aus dem Geschäft zurückzuziehen.«
    Henrik war völlig überrumpelt. Der Alte wollte aufhören? Das war doch nicht möglich!
    Von der Seite sah er, dass Gunilla vor Schreck der Mund offen stand. Für sie kam diese Eröffnung ihres Vaters genauso unerwartet wie für ihn. Nur Greta schien nicht ganz so ahnungslos gewesen zu sein. Ihre Miene spiegelte Erleichterung und eine leise Genugtuung wider. Sie schien mit dem, was Lennart gerade verkündet hatte, äußerst zufrieden zu sein.
    Lennart wandte sich Gunilla zu. »Du wirst meine Nachfolge übernehmen!« Sein Gesicht trug einen feierlichen Ausdruck zur Schau, als wolle er seiner Tochter ein wunderbares Geschenk überreichen — was aus seiner Sicht vermutlich sogar zutraf. »Morgen um zehn haben wir einen Termin mit den Notaren, da machen wir es fest.« Er hob sein Glas. »Der neue Boss der Thorwaldsson-Werft heißt Gunilla Rosendahl!«
    »Das meinst du nicht ernst, Papa!«, entfuhr es Gunilla.
    Lennart hob befremdet die Brauen. »Mit so etwas macht man keine Scherze, Gunilla!« Er räusperte sich. »Du bist seit vier Jahren meine Assistentin. Du kennst das Geschäft in allen Einzelheiten. Die Kunden und die Zulieferer kennen dich, und ich bin überzeugt davon, dass du es sehr gut machen wirst!« Abermals hob er sein Glas. »Und jetzt lasst uns anstoßen! Auf die neue Chefin!«
    »Moment mal, Papa!«, wandte Gunilla ein. Sie war blass, und Henrik sah, dass ihre Hände zitterten. »So geht das nicht! Du bist der Boss!«
    »Ab sofort nicht mehr.« Lennart lächelte mild, ihm schien überhaupt nicht aufzufallen, dass hier etwas nicht stimmte. »Hab keine Angst, Mädchen, es ist alles gar nicht so schwer. Außerdem hast du hervorragende Mitarbeiter!« Er prostete Henrik zu, der reglos sein Glas umfasst hielt und wartete, dass diese Farce ein Ende nahm. Sein Schwiegervater tat ihm Leid.
    »Und wenn es wirklich mal schwierig werden sollte, kannst du immer noch deinen alten Vater fragen. Ich weiß zwar nicht, ob ich jedes Mal erreichbar sein werde, aber...«
    »Das kannst du nicht von mir verlangen«, sagte Gunilla sehr akzentuiert.
    »Mach dir keine Gedanken, Kind.« Lennart lächelte beruhigend. »Du schaffst das schon. Es gibt doch niemand anderen, der meine Nachfolge antreten könnte. Und es ist wirklich nicht so schwer...«
    Gunilla stellte mit einem weithin hörbaren Knall ihr Glas ab, so hart, dass etwas von dem Inhalt herausspritzte. »Du verstehst mich nicht, Vater! Ich kann und will deine Nachfolge nicht antreten!« Sie hielt inne und starrte auf die winzigen Sherryflecken, die das Tischtuch neben ihrem Gedeck sprenkelten. »Es tut mir Leid, dass ihr das jetzt so erfahren müsst.« Sie sprach monoton, völlig ohne erkennbare Emotionen. »Ich gehe weg, nach London. Mit John Borman . Ich werde da mit ihm leben.«
    Lennart sank wie betäubt auf seinen Stuhl. Seine Hände umklammerten die Tischkante. »John Borman ? Was redest du da für einen Unsinn, Gunilla?« Sein fassungsloser Blick irrte von seiner Tochter zu Henrik und weiter zu Greta, um schließlich wieder bei seiner Tochter zu landen. »Du bist verheiratet, du hast eine Aufgabe in der Werft!« Er redete sich in Rage, mit einem Mal wurde er so laut, dass seine Stimme von den Wänden widerhallte. »Schlag dir das aus dem Kopf!«, schrie er.
    Henrik betrachtete seine Frau mit verengten Augen. Gunilla dachte offensichtlich nicht daran, klein beizugeben.
    »Ich verstehe, dass du sauer bist, Papa. Und du

Weitere Kostenlose Bücher