Sehnsuchtsland
sehr. Geht es Ihnen nicht auch so? Sind Sie nicht sofort entspannter, wenn Sie hierher nach Hause kommen?«
Lena starrte schweigend hinaus aufs Wasser. »Ich bin nicht oft hier«, sagte sie schließlich mühsam. »Aber ich kann verstehen, dass es Ihnen gefällt. Ingrid hat mir erzählt, dass Sie als Kind schon einmal hier waren. Sie haben wohl sehr glückliche Erinnerungen an diese Zeit?«
Magnus zuckte die Achseln und nickte dann, während er ihren Blick festhielt. »Schade, dass Sie damals noch nicht auf der Welt waren. Wir hätten wahrscheinlich viel Spaß gehabt.«
Lena lachte. »Ich war ziemlich wild als Mädchen, fast so schlimm wie Lasse. Am liebsten bin ich mit meinem Vater um die Wette geritten. Oder mit seinem Motorboot über den See gedüst.«
Er lachte ebenfalls, und Lena spürte, wie er sie von der Seite betrachtete. »Auf jeden Fall ist es nett, Sie jetzt kennen zu lernen«, sagte er.
Sie wandte sich ihm zu und schaute ihn an. In seinen Augen stand ein unmissverständliches Funkeln. Bestürzt wurde sie gewahr, dass zwischen ihnen etwas aufflammte, das über normale Sympathie bedrohlich weit hinausging. Es war wie ein elektrisches Knistern, und sie glaubte förmlich, es auf ihrer Haut spüren zu können.
»Ich muss leider jetzt gehen«, sagte sie hastig. »Ich... ich habe Ingrid versprochen, ihr beim Einkochen zu helfen.«
Sie sah seine Enttäuschung und lächelte unwillkürlich, als könne sie damit ihren Aufbruch weniger überstürzt wirken lassen.
»Wiedersehen«, sagte sie.
Dann wandte sie sich ab und ging mit eiligen Schritten davon.
*
Magnus schaute ihr nach, nicht ganz sicher, was er von ihrem Benehmen halten sollte. Einen Augenblick lang hatte sie echtes Interesse an ihm bekundet, und er hatte sich bereits auf eine richtige Unterhaltung mit ihr gefreut. Dann, nur eine Sekunde später, hatte sie wieder die Spröde, Unnahbare herausgekehrt und war verschwunden, bevor er auch nur den nächsten Satz hatte herausbringen können.
Was, zum Teufel, machte er falsch?
Oder andersherum gefragt — was hatte er bisher richtig gemacht? Ganze drei Mal hatte er sie mehr oder weniger zufällig getroffen, sie angestarrt wie ein aufdringlicher Wegelagerer und sie mit dämlichen Sprüchen gelangweilt. Kein Wunder, dass sie jedes Mal so schnell das Weite suchte.
Von schwachem Ärger auf sich selbst erfüllt, machte er sich auf den Weg zum See. Drüben vom Steg her war Kinderlachen zu hören. Emma und Lasse saßen einträchtig nebeneinander auf den Planken und übten sich im Fischen. Magnus schaute belustigt zu, wie Emma die Angel hielt. Ihrem gelangweilten Gesichtsausdruck nach zu urteilen, gefiel ihr das Reiten deutlich besser.
Björn hockte weiter vorn auf dem Steg und machte sich an einem kleinen Ruderboot zu schaffen, das vor ihm auf den Planken lag. Er schliff einige raue Stellen im Holz glatt, das Gesicht in grimmiger Entschlossenheit verzogen. Er war ein Hüne von einem Mann, was seine einhändigen Bemühungen erst recht hilflos wirken ließ, doch er schien wild entschlossen zu sein, sich durch seine gebrochene Schulter nicht im Geringsten einschränken zu lassen.
Emma und Lasse ließen die Beine über dem Wasser baumeln und starrten auf den Schwimmer am Ende der Angelschnur, der in einiger Entfernung auf der Wasseroberfläche trieb.
Magnus genoss für ein paar Sekunden einfach nur den Anblick, wie die zwei ihre Köpfe zusammensteckten. Er dachte daran, dass er jetzt auch einen Sohn in Lasses Alter haben könnte. Anfangs war es für ihn und Britta klar gewesen, dass sie zwei Kinder wollten, einen Jungen und ein Mädchen. Doch vor Emma hatte Britta bereits zwei Fehlgeburten gehabt, und nach der Geburt ihrer Tochter hatte sie sich geweigert, das Schicksal ein weiteres Mal herauszufordern. Zuerst hatten sie ein paar Mal darüber gesprochen, es vielleicht später noch einmal versuchen zu wollen. Aber dann war nie wieder die Rede von einem weiteren Kind gewesen, obwohl Magnus nichts dagegen gehabt hätte, noch einmal Vater zu werden.
Doch dieser Zug war wohl endgültig abgefahren. Britta war jetzt fünfunddreißig und voll auf dem Karrieretrip. Sie verfolgte ihren Weg nach oben mit einer Zielstrebigkeit, die Magnus hin und wieder erschreckend fand. Nicht, weil er es ihr nicht gegönnt hätte oder gar weil er neidisch auf sie gewesen wäre, im Gegenteil. Zum einen war er stolz auf seine erfolgreiche Frau, und zum anderen war er selbst schließlich ebenfalls ein Mensch, dem seine Arbeit Spaß
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