Sehnsuchtsland
machte. Doch bei allem geschäftlichen Engagement hatte er immer das Gefühl gehabt, dass ihm seine Familie über alles ging, während bei Britta die Entwicklung gerade in diesem Punkt anders zu verlaufen schien als bei ihm. Der Erfolg entfernte sie von ihrem Mann und ihrer Tochter, und diese Tatsache war es, die Magnus zunehmend beunruhigte.
Er verdrängte die unerfreulichen Gedanken und schlenderte auf den Steg hinaus, wo Björn sich mit wachsender Ungeduld an dem Holz des Bootes zu schaffen machte.
»Kann ich helfen?«, fragte Magnus.
»Sie haben Ferien. Sie müssen nichts tun.«
Magnus unterdrückte ein Grinsen, denn trotz der in brummigem Ton vorgebrachten Ablehnung war der hoffnungsvolle Ausdruck in Björns Augen nicht zu übersehen. Geschmeidig ging Magnus neben dem Boot in die Hocke und nahm ein Stück Schmirgelpapier. »Ich werde immer mehr zum Büroarbeiter«, sagte er leichthin. »Dabei gibt es für mich nichts Schöneres, als mit den Händen zu arbeiten.« Er bemerkte Björns fragenden Blick und setzte erläuternd hinzu: »Vor dem Studium habe ich eine Schreinerlehre gemacht.«
Geschickt fuhr er mit der Schleifpappe über die angesplitterte Stelle an dem Boot, das offenbar bei einer Karambolage Schaden genommen hatte.
»Sie haben nichts verlernt«, stellte Björn anerkennend fest.
Magnus nickte und glättete mit gleichmäßigen Bewegungen das Holz. Ohne seine Arbeit zu unterbrechen, meinte er in beiläufigem Tonfall: »Ich habe Elinor Frödin getroffen. Sagen Sie, was ist da los mit Marielund?«
Er schaute auf, weil Björn nicht sofort antwortete. Die Miene des Älteren drückte Zurückhaltung und eine Spur Abneigung aus. »Das ist eine komplizierte Geschichte«, sagte er knapp. »Wir haben schon lange keinen Kontakt mehr zu Elinor.«
Magnus war nicht bereit, so schnell aufzugeben. »Lebt sie dort ganz allein?«
»Hin und wieder kommt jemand aus der Stadt und hilft ihr beim Mähen oder beim Holzmachen. Aber eigentlich lebt sie wie eine Einsiedlerin.«
Auf Magnus’ fragenden Blick hin wandte Björn den Kopf zur Seite und schaute über den See. »Es ist eine Schande«, sagte er mit unbewegter Stimme. »Was haben wir zusammen für schöne Zeiten auf Marielund verbracht. Diese Sommerfeste.« Er schwieg einen Moment. »Der ganze Park war voller bunter Lampions. Es gab Musik. Es wurde gefeiert, getanzt und gelacht. Es ist so ein Jammer.« Er schüttelte den Kopf, und Magnus glaubte für einen Augenblick, Verzweiflung in den Zügen seines Gastgebers zu erkennen.
Er beschloss, es auf die direkte Art anzugehen. »Was ist passiert?«
»Es hat ein Unglück gegeben«, sagte Björn. »Danach war nichts mehr so, wie es war.« Nach dieser wortkargen Auskunft war er offenbar nicht bereit, mit weiteren Informationen herauszurücken.
Für den Augenblick musste Magnus das wohl oder übel akzeptieren, doch er nahm sich vor, bei nächster Gelegenheit weiter zu forschen. Der Teufel sollte ihn holen, wenn er nicht bald irgendjemanden hier in der Gegend auftrieb, der ihm das erzählen konnte, was er wissen wollte.
*
Elinor hörte das leise Quietschen der Fahrradkette, während sie auf dem staubigen Asphalt in Richtung Stadt strampelte. Vage überlegte sie, wann sie das Quietschen zum ersten Mal gehört hatte, doch es fiel ihr nicht ein. Mehr als einmal hatte sie sich vorgenommen, die Kette zu schmieren. Oder Stinas Mann zu bitten, sich das Rad anzusehen. Jens kannte sich mit solchen Sachen aus, und er hätte es sicher sofort erledigt. Wie Stina machte er nicht viele Worte, aber was er anpackte, funktionierte immer.
Doch Elinor wusste schon jetzt, dass sie ihn wieder nicht fragen würde. Wozu auch. Ihr Rad war alt und ging aus den Fugen, daran würde ein bisschen Öl auch nichts mehr ändern.
Mit einer unbestimmten Ironie dachte Elinor, dass ihr Rad im Grunde nichts anderes war als ein Sinnbild ihres ganzen Lebens. Gut genug, um damit noch ein paar Wege zurückzulegen, dies und das zu erledigen. Aber ansonsten klapprig und zum Untergang verdammt. Ihr Dasein schien sich aufzulösen, Stück für Stück, jedes Jahr, jeden Monat und jeden Tag ein bisschen mehr, bis nichts mehr davon übrig war.
Der Wind blies ihr ein paar Strähnen ihres Haars ins Gesicht. Elinor registrierte, wie spröde es war. Alt und verbraucht, so wie sie selbst.
Die Leute, an denen sie vorbeikam, grüßten sie mit derselben Freundlichkeit wie immer. Elinor grüßte natürlich jedes Mal zurück, fragte sich aber ein ums andere Mal, was es
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