Sehnsuchtsland
verdrehen?«
Magnus spürte, wie sich bei diesen Worten in seiner Magengegend etwas zusammenzog. Es hatte nicht direkt sarkastisch geklungen, aber auch nicht gerade fröhlich.
»Tue ich das denn?«, fragte er vorsichtig. »Verdrehe ich dir wirklich den Kopf?«
»Mir ist schon ganz schwindelig«, bekannte Lena.
Erleichtert stellte Magnus fest, dass sie nicht böse war. Eher das Gegenteil.
»Gefällt es dir denn? Ich meine, dich schwindlig zu fühlen.«
»Ich glaube schon.« Diesmal klang es ernst. Magnus zog sie erneut an sich, so heftig, dass er merkte, wie ihr die Luft dabei wegblieb. Es war ihm egal. Er wollte sie, und zwar so sehr, wie er noch nie etwas anderes zuvor in seinem Leben gewollt hatte.
Sein Herz raste, und am liebsten hätte er alles gleichzeitig getan, sie geküsst, sie runter in das Boot gezogen und sie gestreichelt, mit ihr geredet, sie einfach nur festgehalten.
Ii’gendwann kamen sie wieder zur Vernunft. Lena löste sich sanft, aber entschieden aus seiner Umarmung.
»Was ist mit dir?«, fragte er. Dann schluckte er und stellte die entscheidende Frage. »Gibt es jemand anderen in deinem Leben?«
Ihr Lächeln zeigte eine Spur von Reserviertheit. »Stewardessen sind die Matrosen des einundzwanzigsten Jahrhunderts. An jedem Flughafen ein anderer.«
»Wenn das so ist, musst du den Beruf wechseln«, erklärte Magnus schlagfertig.
Lena konnte daran nichts Erheiterndes finden. »Zur Hausfrau und Mutter tauge ich leider nicht.«
Magnus spürte, dass sie im Begriff war, zwischen ihnen beiden eine Mauer zu errichten. »Was ist los?«
»Nichts. Ich bin nur gerade wieder in der Realität angekommen.« Sie ging zum Heck und startete den Motor. Während der Fahrt über den See sprachen sie nicht mehr miteinander. Wie aus einer unausgesprochenen Vereinbarung heraus bewahrten sie Schweigen. Die Stille zwischen ihnen war nicht kalt oder unfreundlich, sondern einfach nur abwartend, so, als wollten sie sich die Option, später weiterzureden, nicht zerstören.
Lenas Versuch, auf Distanz zu gehen, war so oder so zum Scheitern verurteilt. Sie musste es sich in dem Moment eingestehen, als sie gemeinsam mit Magnus am Steg des malerischen Bootshauses von Johan Stenmark den Ballen Fischernetze in das Boot lud. Magnus stand im Boot und streckte ihr beide Hände entgegen, damit sie einsteigen konnte. Und zog sie augenblicklich in seine Arme, als sie beide auf gleicher Höhe waren. Lena drängte sich blindlings gegen ihn und versank in seiner Umarmung, erwiderte seinen Kuss mit fieberhafter Rastlosigkeit.
Ihr war völlig egal, dass Johan sie beide hervorragend sehen konnte. Um nichts in der Welt hätte sie auf diesen sinnlichen Rausch verzichten mögen, den sie zum ersten Mal erlebte. Sie war fast siebenundzwanzig Jahre alt und hatte nicht gewusst, dass es so etwas zwischen Mann und Frau gab, diese verrückte Begierde, die einem den Boden unter den Füßen wegzog und das Blut in den Ohren rauschen ließ. Sie wäre lieber gestorben, als ihn nicht mehr zu küssen. Und diesmal war sie es, die ihn mit sich zog, hinab auf den Boden des Bootes, dorthin, wo niemand sie sehen konnte.
*
Das Licht des schwindenden Tages hatte diese milchige, helle Konsistenz, wie es sie nur hoch im Norden gibt, jenes matte Zwielicht, das alle Konturen mit einem silbernen Schimmer überzieht und die Schatten zwischen den Bäumen aussehen lässt wie graue Schleier.
Magnus hielt Lenas Hand, als sie gemeinsam den Hof betraten, und wie schon die ganze Zeit spürte er, dass sie innerlich so nah bei ihm war, wie er es sich nur wünschen konnte.
Doch als sie sich dem Haus näherten, schien sich ihrer eine wachsende Unruhe zu bemächtigen. Sie ließ seine Hand los und tat so, als müsse sie sich die Haare glatt streichen.
Vorhin im Bootshaus hatten sie sich noch einmal leidenschaftlich geküsst, nachdem sie die Netze abgeladen hatten, und der anschließende kurze Spaziergang zurück zum Haus war von knisternder erotischer Spannung erfüllt gewesen.
Doch hier, in Sichtweite ihres Elternhauses, spürte Magnus wieder diese Mauer, die immer dann hochging, wenn er es am wenigsten erwartete.
»Sehen wir uns später noch?«, fragte er drängend. »Wir können essen gehen. Und dann vielleicht tanzen. Was meinst du? Du tanzt doch gerne, oder?« Er versuchte, wieder nach ihrer Hand zu greifen, doch Lena entzog sich ihm. »Ja, schon«, sagte sie hastig. Es ist nur...« Sie stockte, offensichtlich nicht bereit, auch nur ein Stückchen von ihren
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